archiv.10.2002
 

02.10.02.00:28:28
ögyr
alte texte

alte texte. alte frauen. wie man nicht mehr steht, wenn man alleinstehend in 3.raum.wohnungen ist. zu viel raum, um ihn mit einsamkeit zu füllen. gucke wohnungen an. mit badewanne. die irre hoffnung, dass man in der, mit champagner.perlen im blut und so ... mit balkon. die irre hoffnung, dass man auf dem ... frühstück bei tiffany’s. sie mag alte filme. bei ihr im lexikon, dtv.brockhaus, weinrote schmalbrustausgabe, gestern: egerlinge, aus dem fitness.kochbuch, das sie mir geschenkt hat, lächelnd, so unbedingt lächelnd, ach, sind ein anderes wort für champignons. auch gut. gut, das zu wissen. die alte frau aus der 3.raum.wohnung in der gerhard.straße ist vor zwei wochen gestorben. ihre kinder, graues haar, raffen jetzt die reste zusammen. sie haben zeitdruck. die fenster sind verhängt mit gardinen, die wie gehäkelt aussehen. schwerer, undurchsichtiger stoff. die verstorbene hat nicht mehr raus gucken wollen. im schlafzimmer, nach hinten raus, fenster zum hof, die teppichstangen, auf denen niemand mehr teppiche klopft, liegt ein schlaftier auf dem bett. sieht aus wie von kindern. gehört aber der alten frau. wird entsorgt. zeitdruck. wollen sie mieten? das klingt wie sehnen. ich sage: vielleicht. ich bin höflich. das graue paar kippt weiter sachen in blaue plastebeutel. einigermaßen wahllos. ob sie das fotoalbum wirklich wegwerfen wollen? ja. ob ich das haben dürfte, sei ja vergangenheit. wenn sie wollen, bitte. ich blättere durch und werfe es später weg. es enthält keine fotos, alle rausgerissen. unter einem rausgerissenen nicht.mehr.foto steht: „walter, 1961“. ich miete nicht. die wohnung ist verwarzt, an den decken hängt feuergefährliches styropor mit dekor. deshalb ist sie spottbillig. sie ist im parterre. draußen gehen leute direkt vor den verhängten fenstern vorbei. im vollbad mit gastherme hängt neben dem klo eine leere klorolle. die küche enthält reste. ich schaue eine packung reis an. haltbar bis zum 24. januar 1997 – ihr, für die ich die badewanne mieten will, 30. geburtstag. zufall? aber wir haben 2002. „es hat sich alles geändert, bis auf mich“ (bernadette la hengst). die kinder der alten frau sind ratlos. wie sollen sie herr werden des ganzen mülls? ein leben, das zu müll wird. auf dem treppenabsatz stehen schon 13 blaue säcke, sagt die frau, sie ist die schwiegertochter. ihr mann, der sohn, scheint ungerührt. ihre augen sind rot. und feucht. der mann wirkt steinern. formen der trauer. zeuge: ich. auf dem türschild steht in fraktur ins messing gegraben: „c. behrendt“. c steht für catharina. mit c, nicht mit k. ich war mal verliebt in eine frau, die katharina hieß, mit k. und lange davor in eine, die mit nachnamen behrendt hieß, kirsten, auch mit k. hundert jahre her. schon deshalb müsste ich diese wohnung eigentlich mieten. der g.punkt. 70 quadratmeter, eher mehr, meint der mann und nun verwaiste sohn, für nur 370 warme euros. aber catharina würde immer in den räumen schweben, an der tapete ihre blümchen weben. ihre geschichte würde immer mitschreiben, wenn ich nachts, im parterre, sommer, schöne junge frauen gehen vorbei am fenster, am laptop säße, dem modernen, dem nicht barocken. das will ich nicht. ich sage, dass ich jetzt einen eindruck hätte. die grauen sagen, dass ich sie gerne anrufen könnte, wenn ich die wohnung haben wollte. ich sei der einzige interessent. oder ich solle den zahnarzt anrufen, dem die wohnung gehört. der sei auch sehr nett. ich schreibe telefonnummern auf, die ich nicht anrufen werde. ich bin höflich, weil ich eine achtung vor geschichten habe. wer wird die von catharina erzählen? wie lag sie tot? in einem sessel, der hier schon nicht mehr steht? es riecht nach fleisch und großen verlusten. verloren sein und wohnungen suchen in dieser welt, von der ich nicht bin. catharina ist 86 geworden.


02.10.03.01:03:36
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freies spiel der kräfte 2.0

während ich schwitze. britney hüpft als neues sexsymbol über den schirm, lässt hüfte kreisen, macht sich nackig. nabelschau auf mtv. auf den fernsehern vor den trainees wippen die bilder. schöne neue welt des fit seins.

das t.shirt ist durch und durch. zum auswringen. so wollen wir das, dass es tropft. flüssig sein. abspritzen von der stirn aus. über den fluss, den charon.beschifften, gehen die brücken. und die krücken. und der mann, den ich sah im zirkeltraining, der muskelmann. er trägt schwer an den bizeps, die die arme abstehen lassen vom körper. sein nacken ist rasiert. er sieht aus wie ein bullterrier. hündisch sein blick, der auf die paar frauen geht, die auch bizeps züchten.

der nachmittag der faune. wortlos mühen wir uns einander entgegen. cardio.handicap, stepper, eliptische strider. der ganze apparat der gesundung. einer niest auf dem fahrrad. gesundheit!

der muskelmann, der eigentlich so aussieht wie ein nazi, duscht seinen riesigen schwanz. vorhautschieber ohne mütze. die hässlichkeit der fitness. kumpanei der verzehrer. nichts wäre an mir so. nichts trüge mich über dieses mauern. und dennoch wachsen meine muskeln, unfreiwillig beim fatburn, beim brennenden gefühl. morgens auf der waage sinkt mir der body.mass.index. im spiegel an der wand sehe ich mich auf dem stepper. ich bin ein mühseliger. und dass mich niemand so ansieht wie ich mich selbst, beruhigt. ich bin in den fett.wettstreit mit mir getreten. verbrenne kalorien, joule. und meine maske steht mir dabei nicht. im schweiße meines angesichts.

die frauen im zirkus. geschöpfe aus bustiers, unter denen es gierig knospt. errigierte warzen. langanhaltende. im park am morgen läuft sie mir entgegen, schüttelt das haupt im lauf. wie eine pferdemähne. arabella. der dunkelheit entrinnend. im gegenlicht der nebligen morgensonne seh’ ich sie kommen. wir begegnen uns am meilenstein. sie setzt ihn, ich setze dagegen. hinten saufen die penner morgens das erste zum überleben unbedingt notwendige bier. sie sagen „sportlich“, einsilbig, wenn ich vorüberziehe. auf meiner stirn ist kein gedanke, nur ein schweiß.

auf meinem t.shirt zeichnet die feuchtigkeit des daseins flüsse. man sieht mich, wie ich arbeite. nicht. abends stellt der fotografen.kollege fest, dass ich immer schlanker werde. er lächelt. auf seiner brust sind frauen eingeschlafen. er hat gesehen, wie ihnen die augen zufallen. er hat das als zufall wahrgenommen. wir tragen an unseren taschen. in seinen die bilder auf dem chip, in meinen text auf notizblock.

die worte haben noch gewicht.

seifen.schaum geht über die muskelpakete. der nazi in springer.füßen. es riecht nach ... es reicht. es klingelt aus dem duschkopf. sein handtuch trocknet nicht. man sieht mich, wie ich kämpfe. ich kämpfe gegen mich. mein puls, knapp unter der trainingsgrenze. 129. ich will, dass ich will. ich laufe mich gesund. ich laufe aus. ich laufe nicht zu dir, denn das wäre erfüllung von forderung. sie sieht mich an, wie ich schwinde, körperlich. sie sieht mich an, sie ist stolz, dass sie mich dahin brachte. ich sehe, wie sie lächelt.

ich bin auf dem weg, noch 400 meter. noch 200 kalorien. ich schwindele. man kann mich sehen, wie ich trinke. den rest von davor. es geht noch, denn es geht nicht mehr. am rande. im rund. ich bin, was ich nicht sein will. ich will, was ich nicht bin.


02.10.14.23:34:26
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wi(e)ndows 02.10.14

couch.wechsel. für paar tage. eine [meine schönste, wirklich schönste] liebelei lang. freud. vorabend der abreise. morgen erst. vorbereitungen. sich der arbeits.fessel entledigen. verdrängung.

dann bei karstadt, süßwaren, geschenkchen besorgen im auftrag von (und für) gu. [süß sein.] am tresen ältere frauen. eine packt adventswaren aus. lebemannkuchen. der bunte teller. neben ihr eine alte weißhaarige, offenbar bekannte oder nachbarin, hausmitbewohnerin. die verkäuferin: ist seit 63 bei karstadt. jetzt droht rationalisierung. sie erzählt. abfindung nehmen und keine ansprüche mehr gegen karstadt haben. die gewerkschaft rate ab. sie aber ist müde. wozu kämpfen? sie hat jahre auf dem buckel, wie man so sagt. wie sie jetzt so sagt. und jetzt die adventsware schwer aus den pappkisten. alltag. zwischen den regalen treiben kundinnen, alte frauen. rentnerinnen. omas mit schränken, in denen sich lockstoffe für enkel befinden. nachbarskinder. willst du mal? nicht mehr wollen. sich dennoch was gönnen. pralinen, 60 cent das stück. die zunge so schwer vom nicht.erzählen. hinter den gardinen. der blick fragend, das pralinchenschächtelchen geöffnet. nacht droht. keine antwort. süß sein. der teddy. der rest von zärtlichkeit, zartschmelzend auf der zunge. nicht mehr reden. nicht mehr lieben. nur noch für sich. fremde. in der süßwarenabteilung von karstadt riecht es süßlich. nach schokolade und erinnerung. und nach der melange, ja wien, melange, aus kölnisch wasser und dem vorduft der leichen. wie omas riechen, so geborgen. sie streicheln. ich kleiner. den krieg haben sie überlebt, manche zwei.

büro. telefon. ich höre mit. empörung. was ich im forum schrieb, der flirt mit dem schlagbaum.jargon. bestürzungen. meine stiefel.tritt.lyrik. ich nannte es punk. oder provo. jedenfalls nadel durch die lefzen. piercing der poesie. dann, so habe ich geschrieben, bin ich nach diktat(ur) verreist. heldenplatz. bernhards empörung. schlingensiefs provo. und zu musils parallelaktion. wien. „fummeln im fiaker“ hatte mir gen.c. gewünscht. daraus wird nix. auf dem stadtplan suche ich nach parks in der nähe des westend city hostels, wo ich „nächtigen“ werde. backpacker im six.bed.dormitory. parks, durch die ich laufen könnte, „flink wie windhund“, mein zeh aus leder und der kruppstahl.stent im zuleitungsgefäß meines herzens. eben die tablettenration für 7 tage ins pillendöschen dosiert. delix, norvasc, biso.hennig, sortis und herz.ass. keinen stich bekommen. laufen. doch keine turnschuhe mitnehmen. nicht in den backpack mein läufer.dress, das lächerliche. schlag.obers meiden stattdessen.

und nicht mehr essen. so wenig wie möglich essen! schnell die prater.hauptallee hoch- und wieder runterwandeln. mindestens einmal am tag. ich nenne das bewegung. „hauptstadt der bewegung“. ein mann ohne bauch werden. und ohne eigenschaften.

„terror im paradies“ titelt jetzt auch schon das zdf. wie rtl, wie sat, wie n24. apfelfresser. im scheißen meines angesichts wende ich mich rückwärts. sollst du dein brot nicht essen. und gebären. schleier über dem volksgefängnis. der volkssturm schiebt seine leiche in renngräben. das pack ist „lange zeit sprachlos“ bei „herrn beckmann“. renngraben. laufen. laufen.

wien. ich werde dort das dritte (sic!) rad am wagen sein. sprichwörtlich: auf zwei beinen kann man nicht stehen. im baedecker steht, dass zwischen stephansdom und donau das rotlichtviertel lauere. und warnt, dass wer dort nächtlich verschwinde, am morgen „unbewusst“ wieder auftauche. freud. die couch, die jetzt in london musealisiert ist. nicht in wien. arbeitsplatz seele, mein „kampfplatz für den frieden“. betriebskampfgruppe. parteisekretärin mit dem kleinen schwarzen im auge. man sieht ihr nicht an ...

sieben.tägiger irrflug. „zwischen tod und hoffnung“ (beckmann zu mogadishu). ich möchte krank werden in wien. fieber haben in wien. und fluppe, wieder rauchen. „... und dann mussten wir die hände immer hinter dem kopf halten ...“


02.10.16.19:46:00
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wi(e)ndows 02.10.16.1

ausgang kärntner.straße. recken von imperialen hochhäusern, als hohe häuser noch nicht hochhäuser hießen. kurz vor 10, angekommen und noch nicht geöffnet. im morgendunst reinigen graumänner das trottoir, andere die toiletten. „mostly mozart“, was das sei, noch nicht herausbekommen, aber mehrfach als straßenschild. am 19. wird das requiem aufgeführt.

stephansplatz. um den dom. der platz kleiner als erwartet. SPITZBÜBISCH. was für seltsame vokabeln einfallen: spitzbübische gerüste am gemäuer, eingeschraubt in den graustein. der so genannte charme der grabsteine. ich muss in die katakomben, einigermaßen unbedingt. fragwürdig natürlich. am nordostportal eine phalanx der fiaker. im fond des wagens, jetzt wirklich, karierte decken. die fuhrleute stehen an einer bretterbude. schwarze melonen auf den dafür zu großen köpfen. keine zylinder. sozusagen: bürgerlich, nicht adelig. nicht schönbrunn. hinten im dunst die behauptete kuppel der hofburg.

der 1. gang durch den 1. bezirk, noch ziellos. gründelnde frage: was will man hier, was kann ich sollen, noch unbe.kan.n.t? vor 2 stunden aus dem zug. im abteil schlafgeruch. vom mittelbett links schaue ich aus dem fenster, die gardine vorsichtig „bei seite“ genommen, dann aus der landschaft nach unten, wo sie liegt. sie liegt ernst. die augen geschlossen, ihr zu leichter schlaf. das engelhafte. den kopf „bei seite“ gelegt, der hals, wo die ader ruhig und gleichmäßig pumpt. und die ernsten lippen, schmal und vertraut (dem liebenden, blickdicht).

11:15 im zufällig gefundenen café hawelka. dunkel dämmernd verschossener roter samt an den fenstern. zerschlissen sein vom lauf auf zeit. durch das marmortischchen, darauf das silberne tablett mit „schwarzem“, wasserglas (quer darüber und „von hinten“ der löffel) und glasschälchen mit 2 würfeln zucker, die unangerührt bleiben wie alles zuckende, vor dem ich mich hüten will, quert ein zugegipster schmaler spalt. einmal ganz durch. einmal vor und zurück bitte. rechts davon die zeitungsstapel, ziellos geordnet von einem alten mann mit grauem westover und roter samtfliege. wie die vorhänge, zittrig. daneben studentinnen am tisch mit leitzordnern. die stille der arbeit, konzentriert im raunen, das von den tischen „dringt“, jetzt wo sich das café füllt und – „wiederseh’n danke schön“ - sich anfühlt wie alter, wie alter ego.

der kraftausdruck „kraftausdruck“ fällt mir ein, unklar, warum, immer noch im hawelka. dass ich zum schreiben hergekommen sei, zum nicht schreiben von kraftausdrücken, sondern um meine schwäche durchleuchten zu lassen im röntgen.atelier, wo ich selbst die kathodenstrahlröhre bin, oder auch nicht, ist die farce, die mir gefällt, indem mir der kleine „schwarze“ harndrang erzeugt. sich überlassen. auf dem aschenbecher, 2 kippen drin, steht „almdudler“. von einer karierten weste, durchaus nicht geschmacklos, geheimrättliche ecken an der stirn wie unterweltssegel befestigt, werden die studentinnen angestrudelt. sie lachen dem roten samt entgegen. die macht des schicksals ist eher die des augenblicks, also sehr vergänglich, immer nur kurzzeitig oben auf. und meine ohnehin kleingeschriebene schrift wird kleiner. der westenmann, nicht der grau gealterte westover mit samtfliege, so stellt sich heraus, ist der wiederseh’n.danke.schöne. was er bei jedem gehenden gast einstreut in das eigentlich wichtigere gespräch mit den studentinnen, zu denen er sich mit einer geste vertraulich mitgeteilter geheimnisse herunter beugt. leiser sprechen. leiser schreiben! der apparat, den man ich nennt, gegeneinanderüber im beige einfach gestrickten pullover mit dem aufdruck verwaschenen aber niemals ganz raus gegangenen kaffeeflecks auf der brust. gegeneinanderüber auf reise um zu erfahren, ob man wirklich die „displaced person“ sei, die man manchmal gerne wäre, weil das irgendwie chic ist, oder doch eher nachrichtendienstlich erfasster berichterstatter aus diesem weltachsentheater, das mitten durchs herz (derzeit) den reißwolf dreht. danke? bitte!

auf der spur, nicht ob, sondern allein in welchem maße ich PESTSÄULE bin oder doch museumsquartiermacher für den ganzen wust an in mir aufbewahrtem abraum.

aufbruch der studentinnen. schals aus - wirklich auch - rotem samt. umringt von dem stenz mit wiederseh’n.weste. gestikuliert, was man als rede nicht versteht, obwohl es bisschen wie die parteitagsrede von gabi zimmer aussieht, so engagiert und mit dem rücken zur wand. sympathisch also. wiederSCHAU’N. und guten morgen für paar pelzträgerinnen, deren samtroten lippen die faltige vokabel „verlebt“ anhaftet wie der nicht mehr abküssbare lippenstift. almdudler. die sache wird jetzt geschäftig, unruhig und man müsste raus jetzt. gegenan gegen das nicht mehr vorhandene beharrungsvermögen. gegen das unvermögen der uhr mit römischen ziffern, die immer noch 11.uhr.15 zeigt, eine zeitlose, die vorhin, und das wird kaum zufall sein, stimmte. aus den stimmen, den duftigen küchlein, aus dem samt, hinaus jetzt wieder in die suche nach verhaftung an der heimatfront.


02.10.16.21:22:00
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wi(e)ndows 02.10.16.2

café stein, gegen 16 uhr. im spiegel. gegenüber ich. notiz. im spiegel gestern gelesen, dass man sich durch schreiben gewissermaßen retten kann. sagt wolfgang hilbig. im spiegel im arbeitszimmer in der berggasse 19 am fenster sieht man die beine von besuchern. freuds projekt aufklärung im wartezimmer. mit blick auf die verschüttung eines hinterhofs und in den spiegel am fenster. eine schnurre wie die antikiosen. projekt: selbstreferenz, beobachtungsobjekt ist gleichzeitig beobachtungssubjekt. die frage: kommt man so voran oder zieht man die kreisbahn durch den 1. bezirk des ichs, so wie vorhin als stadtplan.irrtum? fiakerfahrten kosten übrigens, nebenbei ermittelt, 40 euro und entfallen damit. das gute äußere argument irgendeiner befürchtung, der man nicht hinter die tapetentür zu schauen braucht.

nach 6 stunden vagabund in der anderen stadt (cis.danubien) hat man die sache eigentlich durch und satt. wohin sollte man jetzt noch? unschlüssig. im kriegstagebuch: entschluss: rückmarsch. nicht aber im wirklichen leben. mit vorsicht wird man da jetzt hindurch gehen. allein in der stadt allerdings tendenziell zu FREI. das macht arm (diederichsen). weil nämlich die zeit langsamer verläuft als gewohnt. das war zwar im prinzip der sinn des unternehmens. aber bei jeder spur von sinnhaftigkeit breitet sich logisch sofort ängstlichkeit aus, die selbstrotation knarrt in den angeln. denn gerade im offenen, unbehausten arbeitszimmer stadt ist es einsam. das befreiende der planlosigkeit gestaltet sich, anders als erwartet, als fessel.ballon.

fraglich auch, was passiert, wenn es dunkel wird, wenn nur im i.café noch licht brennt, das beruhigende licht des bildschirms, eine langgezogene melalalange lang. wenn das nicht schon zu viel des guten wäre. später: abschrift in die tasten. hier - jetzt noch: nur notiz, nichts essen (mutwillig und somit gewaltsam). und nochmal aufs klo, entwässern. café stein, ecke kolingasse, gegenüber die votivkirche, neugotisch, einstweilen. lang. tendenzieller fall der votivrate.

u.bahn.jogging. prater.stern. hauptallee. linker hand das riesenrad. auf dem gebäude schriftzug: „durch staub und wolkenspreu schleift der mantel, der unsere liebe deckte, das riesenrad (ingeborg bachmann)“ daneben fußballfans mit 8.zylinder. im einzelnen eher unbedeutend ist gerade diese kombi RÜHREND. mutwillig die prater.hauptallee 2 kilometer hoch und 2 kilometer runter. macht 4. und halbzeit.


02.10.16.21:48:00
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wi(e)ndows 02.10.16.3

21:24. big.net.café am hochmarkt. platz 008. melange no.3. vorher ein gambrinus, 4.5%. und erfolgreich nix gegessen. das schafft was weg. wie die schrift, mit der man gegen eine 4.40.euro.uhr für eine stunde anrennt. das vagabundengefühl stellt sich erst hier ein, im netz. das überall, egal wo man ist, die heimatlichen adressen bereit hält. das handy, auf dem keine verabredung eintrudelt, blinkt jetzt gelb auf anbieter „one“. the one and only online. ist aber offline. no reply. die adressen durchgetestet. beim joint@venture auf schwungkunst.de kein reinkommen. init.datei fehlt. aber der stoff muss irgendwo hingetippt werden. mails an mich selbst in den briefkasten am heldenplatz im puppenkamp. noch. später: unbekannt verzogen.

rettungs.ring beschreibung. die i.cafee hat ein big.net.t.shirt an und black.hair zum pferde.schwanz gebunden. es riecht nach pferd. bin auf dem stephansplatz paar straßen weiter in einen fiaker.pferde.apfel getreten. dort, wo es penetrant nach pferde.urin riecht (sic! nicht stinkt). freud in den in der berggasse 19 nachlesbaren „beobachtungen über gestaltung und feineren bau der als hoden beschriebenen lappenorgane des aals“ (stud.med. sigmund freud, wien 1877): „in den monaten märz und september des jahres 1876 habe ich (...) im ganzen etwa 400 aale untersucht, die zwischen 200 mm und 650 mm lang waren.“ ich untersuche meine schuhe. den rechten. aal.geruch. auf dem klo, „die stiege runter“ mit klopapier gesäubert. 650 mm verbraucht.

aus dem lautsprecher die rest.hits vom sommer. sommerfrische in grinzing. jetzt blättergelb im prater. ich. unter kastanien. sammle eine auf. schmeichelhaft. schritt für schritt. erst hin, dann zurück. eine hundertschaft polizei auf dem weg zum stadion, von wo man die fans hört, als seien sie glücklich. bier bei billa. spottbillige 49 cent der zylinder. treibstoff.drang. die allee rauf und wieder runter. halbzeit jetzt schon, seit mitte juli. hatte ich vom anfang vor dem ende geschrieben? oder vom ende vor dem anfang, was, wie sich jetzt auf der allee unter den kastanien herausstellt, richtiger gewesen wäre. ich korrigiere mich. aus der entfernung muss ich mich korrigieren. wiederrufe, nehme zurück. und bleibe übrig. kränkelnd. einbildung.

„dies ist nicht der mittelpunkt der welt“ (bernadette la hengst). dieses i.café könnte auch in bombay sein und deshalb gibt es nicht einen einzigen grund, hier und nicht in bombay zu sein. wiener.würstchen oder boom.boom in bombay. schmeckt gleich, nach nichts, nur nach heiliger kuh. an meinen schuhen. und die zeit vergeht allein, wenn man sie voll.schreibt, gegenan. rauf auf die couch. bett nummer 5, 2. stock, westend.city.hostel. langsam betrunken werdend ist das ziemlich gut zu ertragen.


02.10.16.23:30:00
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wi(e)ndows 02.10.16.4

crossover. der krakenprinz nuckelt am letzten viertele für heute. danach wird hoffentlich sturzbach.seligkeit eintreten, röchelnd in der horizontale, abgeschlossen mit dem sermon, der aalglatt durch die ganglien zirkelt.

unter bahnhofshallenhellen kristalllüstern eilt der ober um die letzten geschäfte an den übriggebliebenen hier und den übriggebliebenen, die noch herein streunen (ins café westend, 23:30), aufgekehrte vom ring oder aus dem westbahnhof gegenüber. hier ist westend, hier ist land’s end. und ende der nacht. für mich immerhin. 17 euro glücklich genächtigt, im 8.bett.dormitory, in der schlafsaalzelle. die thonet.stühle, das fällt mir, dem langsamen, auf, und die glattrasierten marmorwäldchen, die in ihrem eckrund lagern. das unternehmen dieser nacht heißt traumverdrängung und textflucht, konisch in einen mühsam angetrunkenen mini.rausch. doch noch essen. am schwedenplatz einen 3.minuten.döner von putenfleisch an zusammenekratzten salatresten. denn auch in der donaunacht, schön grau, kann man verschwinden, wenn, altes bild, die straßenbahnen ihr blaulicht aus den oberleitungen schlagen.

eine wenig berufene sequenz weiter macht sich noch einer an die morgenzeitung. was hier nachgeholt wird, sind die zusammengeklaubten reste vom tag, die ein allmächtiger schon aus den händen verloren hat, als er vorhin einschlief, so gegen „eilf“. werthers echte (stunde).

man kann eben nicht wie goetz „davon ausgehen, dass der stein denkt“. das muss man schon selbst besorgen, jetzt, wo der jüngere, weniger weiß haarende der ober den zeitungsmüll von heute aus den hölzernen lesegerüsten spannt, den haufen knüllt und entsorgt.

das viertele wird zum achtele. wäre da nicht noch, acht bar bezahlte tische weiter, das - ja - das so genannte liebespaar, das sich die zunge raus streckt, bis sie sich berühren und dann sich einsaugen. so haben wir es gerne zur zerschossenen nachtstunde, fortgesetzt auf verlassenen bänkelsängen draußen im niesel, der jetzt aufkommt und eigentlich eher wie tau wirkt.

denn es ist noch ein rest von wärme in den gassen und glänzend zwischen den schienen, auf denen die trams erst seltener werden, dann aussetzen. ihr fehlen erst und dass sie mir fehlt kündigt die nacht an. anders hätte man sie nicht für möglich gehalten. denn am tag bleiben nur die nachrichten von ihr aus, sonst nichts. sonst herrscht ja augenschmaus. und siegessäulen oder sowas, was patiniertes, zittern durchaus mit einem gewissen maß an behendigkeit. so als grüßten sie gerade die freundlich, die als ewige verlierer auch durch diese stadt noch gehen.

morgen aber, das wird hier in den aschenbecher versprochen, schlafen wir mit sankt tod bis zum nimmerlein in den kühlen katakomben von st.stephan oder, befriedeter noch, auf dem zentralfriedhof. und schlafen uns rein.


02.10.17.21:00:00
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wi(e)ndows 02.10.17.1

totentanz am vormittag. mit dem elan des bildersammlers. herzen im 3.4tel.takt durch die gebein.stapel. zwei links, eins rechts. hähnchenschenkel. vom plakat straßen weiter noch lebendige seidenbeinin mit schuhfetisch von goertz. modische stätten anstatt bestattung. salpeterwagen durch die „tombes“. herzen und andere ausweidungen in kupferurnen. verlötet für die ewigkeit, in der alles so bleibt wie es nicht ist (heiner müller).

20 minuten weit vom end of file am zentralfriedhof schaue ich sie an. lebendig. marsch entlang der alleen durch laub, vergängliche schönheit, aber eben die reine schöne schönheit. staunen. und darüber vergessen, wie man zuhört. steine denken (doch). über eine wiese, wie eingeborene zwischen wäldchen. stapfen, den tau an den füßen. das mehlige in meinen gliedern. der verzichtsstein schwer an meinem hals. packesel einer kleinen zarten gemeinsamkeit, sie hütend, sie nährend und sich mit mikroskopischer vorsicht ihr nähern. zwischen den kammern der toten hat noch, einer muss noch rein, eine herzkammer platz. und darin ...

im hawelka kuchen mit ihr. der naschmarkt ihrer lippen. schon bezauberflötend. ich: der gefangenenchor übermorgen in der staatsoper. eine einzige vorwegnahme von unverlebbarem, also von ewiger ewigkeit. von und zu. palais der toten. schloss jungbrunn. tagediebe, die solche augenblicke in meinem auftrag plündern, in kupfer sargen, damit kein gramm verloren geht. sie lächelt im hawelka.

wir haben noch 12 minuten an diesem terminal. 5 vor 12. wir schrieben in das tagebuch, wie schon so oft, mit schwierigen fingern wie scott auf dem rückmarsch vom pol in jenes zuletzt noch aufgestellte zelt, in dem man ihn fand, zu weit noch vom rettenden eines ziels, das andere vor ihm erreicht hatten. bestimmte grabsteine stehen nur symbolisch an diesem tag für die toten, der so lebendig ist mit ihr. mozart verscharrt, aber jetzt mit marmorengel. die engel findet sie erotisch.

was man noch einkauft, wenn man nur sie zu verlieren hat, für diese nacht nicht, schon aber für den nächsten noch abzuwartenden tag, den freitag.freutag, denn freitag ist fix.und.foxy.tag.


02.10.18.00:30:44
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wi(e)ndows 02.10.17.2

die steinernen engel, die sich niederbeugen, trauernd den blick auf das grab, den arm gestützt auf den grabstein. reich der nacht unter ihnen, darüber der helle herbsthimmel. sie sagt, die engel seien erotische frauen. und ich frage, warum dem engel das kleid lasziv von der schulter rutscht. und sie sagt in das rund roter bäume: denn alle lust will ewigkeit.

und meine lust will ewigkeit.

und breitet die flügel.

mein finger, der nicht berührte und nicht berührende, weist nach oben, dorthin, wohin die nacht kommen wird mit zitternder unbedingtheit. und schauen wird erstaunt und ängstlich.

faltig sind die hände vor den eng fliehenden kanälen der brust. ausruck des schutzes oder des schmerzes. das blütenmal auf der stirn, leuchtauge dem grubenmann in den stollen. vorwärts tief unten. und es waren rosen zwischen den gebeinen. gewächse zwischen den fugen der mauern. mauerblümelein, das wehrsam sticht, wenn man es nicht berührt mit der hand der zärtlichen.

und dass die nacht errötete. wenn sie striche durch die feinen härchen am stil, an dem die blüte sich aus der erde erhebt, hinauf zum himmlischen. denn wo, wenn nicht hier, auf diesem kühlen stein, ist die nacht, die ihren rest hinter sich her schleift wie die bräutliche schleppe oder die engel ihre zerzausten flügel? hinab vom venus.hügel in den dschungel der gewesenen. dass nichts mehr wäre als kleinste mögliche entfernung zwischen den leeren der gräber zwischen den lippen. dass nichts mehr nur schiene, sondern sich im schein wiegt. ein floß auf den wegen, auf denen gefallenes laub die wogen nachbildet. wodurch wir waten. nackt unsere füße, spürend an den sohlen den nachttau, der von oben, aus den lüften, wo man eng liegt, fällt auf die gräber.


02.10.18.17:10:00
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wi(e)ndows 02.10.18.1

„der staatsbürger günter brus betrachtet seinen körper.“ ball.pen in der hosentasche. der notizblock bekommt die ersten eselsohren vom raus und rein in der tasche. die stadtreinigung fegt mit gelblicht. blinkblinkfegfeg. besser: kehrkehr. wiederkehr. die telefonierenden in der u.bahn teilen mit, dass sie gerade „heimkehren“. unbewohnte vokabeln, mundartlich. versuch, ein gedicht anzufangen. fehlschlag. besetzt. später versuchen, please hold the line.

ein gewisses maß, faltig zu sein, ist erträglich. morgens bei h&m neuer pullover: grau, schwarze streifen an den bündchen und zwei diagonal an den schultern. an den schläfen.

karten an sich selbst verschickt, so ’n blödes fluxus.epigonentum, bisschen eitel. aber schöner satz als start.up: „mit heißem nektar so schnell gesichtig“. hermann nitschs aktions.partitur schreibt ferner vor: „geruch einer heilenden wunde“. gewisse materialvielfalt.

„gewisse materialvielfalt“. schreibe gerade den satzbrocken nochmal, als sich materialschlacht einstellt, sprich fragt, ob sie sich an einen der 2 noch freien plätze am marmorkreischen setzen dürfe. kein problem. blondierte hutschachtel mitte fifties. bestellt eine heiße milch im glas. aufschäumende. und teilt wenig später, als ich zum zahlen bitte, mit, dass ihr spruch von eben, betreffend „aber nur wenn“ ich „nichts dagegen“ hätte, für mich nicht gelte, denn: ob ich aus deutschland käme? trifft zu, worauf sie ins plappern gerät. dass nämlich ihr formelles einlenken beim hinsetzen auf mein „kein problem“ dann zugetroffen hätte, wenn ich wiener gewesen wäre. (werde die notiz also später nennen: „wenn ich wiener gewesen wäre“ oder: „ein würstchen in der großenweitenwelt“.) weil nämlich die wiener granteln, wenn man sich unbekannterweise zu ihnen setzt, während „die deutschen“ dagegen zuvorkommend und offen seien. sagt sie. das wüsste ich aber, grummle bisschen mit meinem ball.pen zwischen den fingern. was sie nicht abhält, nun die deutschen zu loben und die wiener zu verdammen. ob ich am samstag im tv gesehen hätte, wie peymann den nestroy.preis bekommen hat. hab’ ich leider nicht. aber sie fährt fort, wie sie sich dabei dachte: wäre ich der peymann, hätte ich so einen preis abgelehnt. zumal die laudatio der heller.andré gehalten habe. ob ich den kenne? ja, der zirkushansel.

genau. und der heller also, der habe ja in der so genannten laudatio lauter frechheiten losgelassen über den peymann. wie der wiener das tue, wenn er beleidigt sei. und der wiener sei immer gleich beleidigt. (und dabei zieht sie den flunsch, der bei gu so lieblich aussieht, wenn sie was „zum kotzen“ findet.) dass sie also, als peymann, den preis hingeschmissen hätte, weil er es ja nicht leicht gehabt habe in wien, der peymann, am schluss zumindest, und als deutscher an der burg. und dann, ja dann – ich spiele immer noch etwas nervös mit dem ball.pen vor der leer getrunkenen und schon bezahlten tasse, wo melange drin gewesen ist – dann also habe sie doch am montag in nämlichem tv die nachricht gehört, dass der peymann den preis zurückgegeben habe. und das habe sie doch gleich gesagt. und wie der peymann doch höflich sei, wie die deutschen im gegensatz zum wiener eben seien, dass er also den eklat am abend der preisverleihung vermieden habe und ergo (sie sagt: „ergo“!) erst „in aller stille“ den preis zurückgegeben habe. aber habe sie das nicht gleich gesagt, vor dem tv? weil ja auch der bernhard.thomas, von dem sie ja jedes stück gesehen habe, in der burg und so, zuletzt elisabeth ii., nippt dabei an der offenbar zu heißen milch, der bernhard also ein ganz toller gewesen sei. der hätte den wienern und überhaupt und allen österreichern, wie sagt man?, ... den spiegel vorgehalten, ergänze ich. ja, genau. und da seien die, die wiener, sofort beleidigt gewesen, weil sie das unverschämt gefunden hätten, die wiener also vor allem. heldenplatz. dabei stimme das doch alles, sei doch richtig, was der bernhard da auf dem theater gemacht habe. und wie lange ich denn schon „da“ sei. 3 tage. ah ja, da merke man das noch nicht. und sie hätte mich ja gestört, unhöflich, wie die wiener nun mal seien, aber sie sei ja nur zugereiste, beim schreiben in mein notizbuch. ob das „ein buch“ werde? ich winke ab, das sei höchstens „ein büchlein und nur so für mich“. ja, ach so, das mit dem buch hätte sie jetzt aber gedacht, weil ich ja „scho’ a bisserl intellektuell“ aussähe. und deswegen hätte sie gedacht ..., weil doch ganz viele deutsche in wiener caféhäusern bücher geschrieben hätten, die kämen doch, „verzeih’n sie“, dazu „geradezu her“, gewissermaßen. ich aber: dass ich schon schriebe „für was“, nicht buch, aber im netz und für zeitungen. ja, aber, sagt sie, dann „erwähnen ’s doch bitte“, was sie mir über die wiener verraten hätte, denn das müsse mal auch aufgeschrieben werden. weil das nämlich genau so sei. das verspreche ich ihr, dem hutschachterl mit der mittlerweile ausgekühlten milch, auf der ein häutchen schillert, altjungferlich. und müsse jetzt los, weiter wien studieren, gell? und schönen aufenthalt wünscht sie mir noch. und raus.


02.10.18.20:45:00
ögyr
wi(e)ndows 02.10.18.2

und wichselbalg. let’s have a (pussy)party @ www.jaegermeister.at. im „s’eck“ (bier.bar.beisl). mitten im „bermuda.dreieck“. italiener.paar vorhin beim pizza.bizi.schnell.abfütterer. fragt mich nach dem weg „to the bermuda.triangle“. ich fuchtele auf englisch (denke dabei an gu, wie die das besser könnte) was von right.hand, dann left.hand. und siehe: genau da, jetzt im „s’eck“, tequila.sunrise am friedmann.platz. die kleine schwarzhaarige im kleinen schwarzen, aus dem der busen raus hüpft, hat einen schwarzen schneidezahn im kussmund.rot, wenn sie lächelt. und löst („hab’n sie schon g’wählt ODER SUCHEN SIE NOCH?“) (hab’ ich: gequält) freundlich das leerglas sunset mit ganz.voll.glas großes.bier aus. sehr freundlich, danke. und lächelt angelernt. schoolgirls. „schlumberger verführt durch höchste bekömmlichkeit“, steht auf dem ständer, der aber wohl eher (natur)s’ekt feil hält.

auffälligkeiten. (a) neben der tür im holzfurnier messingknebel, wie man sie als anker für KNOTEN auf schiffsdecks kennt, als mantelhaken. aber niemand hängt sich oder was hier auf, weil darunter ein rot.gelb.grün.geknöpfter ampel.elektronik.daddler („daddy’s little girl“) steht. „time to match“ (cut into each other), diverse video.games im programm: „neue spiele, unter anderem erotik“. aha. daneben das plakat von ERISTOFF ICE vodka.mixed.drink mit einer schwarzhaar.steil gestylten ice.princess mit lingerie und der betreffenden flasche im schritt – und, symmetrisches design, in der mitte (da entspringt der fluss) mit fotogechoppertem doppelkopf (morgens im foltermuseum von ai gewesen, wo das „eiserne jungfrauen“ waren, esterhazy.park, unten im tiefbunker, 1941 mit führer.bunker.programm gebaut).

auffälligkeiten oder auch anfälligkeiten für symbole. (b) nein, nicht „frischer sturm, EUR 2,50 das viertele“, sondern: zettel mit tesa.these am fenster festgemacht, betreffend das projekt „BluX“ von der künstler.gruppe „melt-art“. aufschrift aufgeritten: „der gehweg, die straße, der graue asphalt, solche öde flur, die sinne blind, wenn auf der straße, wenn vor dem tor, wenn plötzlich mitten drin im grau, so hie und da; nur eine kleine blume stünd’.“ und siehe, ich sagte und sprach, dass ich sie gefunden hätte im straßenschlauch namens hans.heisz@utanet.at, wo BluX das password „bluemelein“ (@ forum.13) in die SPALTE des gepflasterten strandes steckt, und mit, „sieht man von mechanischen einflüssen oder blumenliebhabern ab“, verweildauer von 3 tagen rechnet. kunst der blüten, des falschgelds des kunstbetriebs.

so lange bin ich schon in der stadt, einen mit gu, zwei ohne, schwarz vom straßenstaub bin ich unter den fingernails, pink, pop.art.ig.

let me be fluxus. mumoku am mittag: vostell, muehl, nitsch – wiener aktionismus. let me be poet, nach paar tagen abstinenz: gedichtversuchung (background: shakira, grönemeyer, glashaus):

na klar, es ist noch eis und zeit beizeiten.
kein lot geht in die tiefe meiner herzen.
ich reim’ dich nicht in ewigem begleiten
durch schlösser und die dämmerschwang’ren gärten.

ich rufe dich nicht an, wenn, unverlangte,
ich deine lippen suche und den mund,
der mich verschlingt, wenn ich durch nächte wankte
und trinke meinen kot aus jedem schlund,

den ich herbeigerufen immer wieder,
fallend vor dir wie ein schlächter nieder,
sinkend ein in deine lider, spalt,

in den ich will zurück, ins dunkle glück,
wohin ich mich begebe und verrück’
die stühle, schandbar und noch mit gewalt.

naja ...

wie nenne ich das? klar: frischer sturm! (mit ruf.zeichen in der wüste.)


02.10.18.22:32:00
ögyr
wi(e)ndows 02.10.18.3

diese nacht noch, im dreieck aus cocoa und bermuda.flair, geht mein herzchen fröhlich baden. afterworx, das handy klingelt nicht mehr. endlich abgehalftert, lippenzahme in der hofburg in dressur.tritt können mich mal. denn ich bin der letzte derer, die noch eingehen in den schlund, bisschen verrückt und fotos von verwirrten passanten nicht schießend, weil selbst zu verwirrt. ich lass’ mich begeistern von und mit jägermeister. game bei 11295 punkten. gib bitte deinen namen ein, denn ich habe dich bei deinem namen gerufen. und kaufe dem aufgeräumten perser mindestens eine long.heel.rose ab, denn euro hast du noch und genügend dornen an dir, gespickt von der eisernen jungfrau in deinen leib. geh nicht aus des nachts, wenn zu befürchten steht, dass du eingehst. und einsegnest dein leibchen ins lätzchen, das du – wenigstens tendenziell – zum kotzen vorfindest. immerhin elegant, wie deine zahlmeisterin das bierdeckelchen, auf das du deine liebesbotschaft und deine telefonnummer kritzeltest, ungelesen (und vermutlich viel zu unbelesen) zurück ins ständerle steckt. bon voyage, mein lieber. und schlaf schön, meine liebe ...


02.10.19.00:22:12
ögyr
wi(e)ndows 02.10.18.4

im jugend.zimmer, westend city.hostel, 4. stock, ist es, so hört man mit, zu einem drogenexzess gekommen (portiönchen shit gefunden). eltern werden benachrichtigt, noch von hier aus, jugendliche werden zu einem so genannten drogen.seminar verdonnert. diskussion am nebentisch im so genannten aufenthaltsraum bei züchtiger pepsi.light und gerade noch erlaubten zigaretten, ob man derlei annehmen kann. parlament.tribunal. ergebnis: ja, will man reuig machen, weil schlimme sache, das sieht man ein. gewissermaßen selbstständig drängelt sich kant vor, die olle philosophie der aufklärung. gestirnter himmel über ihnen, vor allem aber das in sie gepflanzte moralische gesetz in ihnen. "voll das krasse selbstbewusstsein" wird das jetzt genannt. und jeder zufällig lauschende lehrkörper freut sich darob. so kann man arbeiten. wo jetzt gearbeitet wird an gesetzen der gesellschaft. die selbst erfunden scheinen und also angenommen werden. jetzt im parlament. lange genug auf 16jährige eindringend kann man erreichen, dass aus ihnen ganz ordentliche, funktionierende menschen werden. man muss nur beharrlich sein. so fördert man das beharren. man kann hoffen, dass aus ihnen nichts wird als arbeit.macht.frei.vieh. man hat da eine gewisse verantwortung, dass sich das lustprinzip (das, wie wir wissen, ewigkeit will) erst dann etabliert, wenn der gesellschaftskörper sich ab 18 in vernichtung begibt. vorher ist das schädlich, danach eine eigene sache.

den jetzt anzuberaumenden diskurs über die ohnehin hoffnungslosigkeit des lebens ("ich habe ihn geil gefickt" (und: "ich habe dich bei deinem namen gerufen") kann in diesem zusammenhang allenfalls als wunsch und jugendlich wirrer mutter.mund des gedankens gedeutet werden, der wiederum dem gesetz "kindermund tut wahrheit kund" folgt) unterlasse ich, sozusagen verantwortungsbewusst der tatsache gegenüber, dass das muster der selbstzerstörung erst ab 18 keinen schutzbefehligern mehr folgt, die ab dann auch verschwinden. diese aber, die jetzt spontan aufbrechen, sind noch schutzbefohlen und ergo zu schützen noch vor dem, was für einen gutteil von ihnen ohnehin folgen wird. der bildungsauftrag der lehrer reicht nicht über den beamtenstatus gesetzlich vorgesehener volljährigkeit hinaus. sie tun ihren dienst und sie tun ihn nach kräften und gut. nur wird die frage nicht gestellt, was hernach kommt oder - wenn man glück hat mit einer gewissen rechtzeitigkeit - nicht kommt. die hoffnung setzt auf dieses zuerst genannte nicht. nicht auf den gebeugten bettler in der kärntnerstraße, der auf die knie geht und sehr mittelalterlich die hände hinstreckt, darin das silber barmherziger euros und das messing weniger barmherziger fast(en).euros, geste der totalen unterwerfung um zu überleben. auch nicht auf die verhärmte schöne, die im u.bahnhof stephans.platz sichtlich im rausch ist und, weil sie nicht mehr sprechen kann, die votiv.tafel eines mitleid.erregungs.textes hinstreckt, auf dem telegrammartig steht: "wurde vergewaltigt und bin jetzt obdachlos". als hätte doch alles mit allem zu tun, folter und wohnungsverlust, entwurzelungen, die auseinander zwar nicht notwendig, aber doch folgerichtig hervorgehen.

die engel sind immer dann besonders flügelhafte wesen, wenn ihnen nichts mehr bleibt als der vermeintliche ausweg der vogelfreiheit. oder der vögelfreiheit. das u.bahn.mädchen, dem ich zwei euros gebe, fragt, ob ich sie für 10, sie sagt "noch acht mehr", ficken wolle. das ist ein verlockend preiswerter preis, hier in wien, wo sonst alles recht teuer ist. ich schaue sie an, den zerschundenen leib, und will dahin nicht eindringen, weil das eine weitere kreuzigung wäre, für mich wie für sie, und lege meinen letzten 10er auf ihre bittenden hände. im gegensatz zu ihr, die ich dafür nicht ficke, bin ich so weit in das system der geldplastiken eingeweidet, oder auch verfickt, dass ich mir die spende am nächsten geldautomaten problemlos und 10.fach wiederholen kann. die drogen haben nur meinen herzmuskel geschädigt, nicht aber mein konto. das ist der unterschied, der mir in jedem moment bewusst ist. eine conditio sine qua non meines kleinbürgerlichen daseins.

ich habe sicherheit gehortet, selbst an den entblätterten fassaden, die vom lack.ab künden. meine unsicherheit ist eine frage der seele, kaum eine des portemonnaies. in diesem unterschied schätze ich mich dennoch nicht glücklich. sondern verbunden mit den total gescheiterten, die mir nur voran gehen. wir werden, noch ehe der hahn drei mal kräht, im selben grab (nicht) ruhen, nur dass mir ein stein sein wird, auf dem mein name steht. und vielleicht ein satz, den ich geschrieben hatte. erinnernd die friedhöfe, über die ich ging an der seite derer, die ich so ziel- und hoffnungslos begehre wie jener dürre engel den nächsten schuss in seine adern, bin ich kein anderer mehr, sondern das, was die ai.aktivisten im foltermuseum im bunker unter dem esterhazyplatz abverlangen: eine unterschrift, mit der ich eintrete für die abschaffung des unglücks. und für das glück im unglück, das ein bisschen von dem schönen, samtig machenden stoff bietet. im "tanzcafé jenseits" (unterm gold.fassl).


02.10.20.00:30:00
ögyr
wi(e)ndows 02.10.19.1

psychiatrische anstalten auf dem hügel stadtauswärts. im „café komm“ auf dem anstaltsgelände melange mit gu in einem gewissen ddr.ambiente. zwischen patienten. schokoladenstückchen.aufdruck: „ordnung ist nicht vorhanden, sondern muss immer wieder hergestellt werden.“ trifft zu. die fehlende ordnung: dass ich vergessen habe, gu was vom naschmarkt mitzubringen. mangelnde aufmerksamkeit (aktives zuhören)? oder aufmerksamkeits.overflow beim durchwandern der budenreihen, nur eine salzgurke im pergamentpapier geschafft. später schoko.overflow.

auf den berg zur otto.wagner.kirche, jugendstil.kleinod. bezauberbergung vom licht durch die farbfenster, das auf ihre haare fällt. kleine müdigkeit beim vortrag, augenschlusslichtreflex. im park zwischen den pavillons entwerfe ich die theorie (stegreif), dass seelenkrankheiten im gegensatz zu denen des körpers (herz und lunge) was unberechenbares hätten. und, so meine befürchtung, immer nur schwerst heilbar. schwerst leidend. denn auf der veranda des pavillons mit dem anstaltscafé drin hatte man jemanden mit grünem anstaltsschlafanzug gesehen, wie er einen liegestuhl zurechtrückt. zauberberg. kleiner exkurs über den begriff „morbid“, mit dem ich fin.de.sièclend kokettiere, während sie ihn ganz und gar nicht positiv besetzbar findet. unsere diskussionen haben immer etwas interessant kampfhaftes, sich aneinander abarbeitendes. finden von gemeinsamen zeichensystemen. eine notwendige arbeit der annäherung bei gleichzeitigem ausmessen von entfernungen. erzählung: warum ich und wie ich in therapie war. 1997-99. als hätte ich da den führerschein gemacht, die fahrerlaubnis in ihren gefilden. durch die geht sie mit diesem eigensinn, diesem unbedingten und unbedingbaren, der ihre gestalt (die schlanken beine, auf denen sie geht) schon äußerlich sichtbar mit stolz füllt, der wiederum dennoch so brüchig scheint, dass sie sich mit weaklings wie mir einlässt, bis zu einem gewissen grade zumindest. abtastnadeln, die mit ihren spitzen aufeinander zu rasen, hoffend sie würden sich treffen. zauberberg.

später. bus zurück. bus durch die straßen von wien. wo sie mich anlächelt. griensteidl, wo sie sich wohlfühlt (und wo wir beide jeweils gleichzeitig einen platz auf dem plüsch erobern, aber ihren nehmen). und staatsaffäre oper, wo ich mich beim scheinbar souveränen organisieren von stehplatzkarten vollständig verhaspele. mit dem ergebnis, dass ich den stehplatz in der 2. reihe einnehme. rücken zur wand. nabucco, dessen inhalt ich ihr nur in sehr lockeren bruchstücken erzählen kann, womit ich sie, wie sie mit ihrem etwas mitleidigen lächeln mitteilt, nur spärlich beeindrucken kann. aber ich muss sie auch nicht beeindrucken, eigensinnig wie sie ist. in all meiner offensichtlichen schwäche macht sie doch keine anstalten wegzulaufen. jedenfalls sieht das so aus. ich muss nicht erst was beweisen, was sie ohnehin schon von mir weiß: ich bin ein weakling. als kennte sie mich schon viel zu genau. ich kann ihr nichts vormachen, ohne dabei sofort entlarvt aufzufliegen. und das löst bei mir, bei ihr, in ihrer gegenwart ein gewisses geborgenheitsgefühlschaos aus. so erstaunlich sie ist, so doch beständig. das beruhigt mich. und dass sie so schön ist, was sie bestreitet.

vom stehplatz, nabucco, 2. reihe, sehe ich ihren rücken, ihr haar. denn genau dort ist die bühne, nicht vorne, wo eine ziemlich gewöhnliche nabucco.inszenierung spult. richtig altes theater mit bravos und so einem verschossenen starkult um den in jeder hinsicht voluminösen mezzo, der die abigail gibt und die ovationen mit so einer gespielten verneigungsarie entgegen nimmt. huldvoll würde man das nennen. sieht aus wie diese frage „wie war ich“, die ich niemals stellen würde, weil die antwort ein schnitterndes lächeln wäre.


02.10.20.01:15:00
ögyr
wi(e)ndows 02.10.19.2

nähe dann beim pizza.essen. und salat. und sich wein aufeinander trinken. und „auf das leben“. und so. sagt sie, nicht wissend, aber vielleicht doch, wie das in mich zurückkehrt, wenn ich bei ihr bin. dass man das wohl doch liebe nennen muss, denke ich, sie ansehend. dieses gefühl, das mich zu ihr zieht, bisschen irr immer. und doch das einzige derzeit, dessen ich mir sicher bin. im kessel stadt. in diesem sich mir wirr darstellenden so genannten, aber intensiven leben, das mezzo.mix.intensitäten (arioso allegro) hat. in der kirche auf dem überichberg fällt mir das wort heiratsantrag ein. unmäßig. so verrückt könnte ich sein. ein unerhörter möglichkeitssinn. dem steht eigentlich nur meine orientierungslosigkeit auf stadtplänen, naschmärkten, führerscheinbar entgegen. in der stehplatzoper hatte mich vorher kurz das gefühl, das wohlbekannte, totaler vernichtung gestreift, das gefühl von hyperfluider überflüssigkeit, dass ich ein nichts sei usw.

hilflosigkeit als muster, das sich auf mich zeichnet. auf meine lippen, die trockenen, die den text von gefangenenchören nicht ohne dingsbums.pathos mitlispeln. weil ich nämlich im text nachsprechen einfach zu gut bin. und da genau die schwächen des librettos meines so genannten lebens erkenne.

nachts bringe ich sie nachhause. ich mag es gegen allen ihren gespielten widerstand, sie nachhause zu bringen, ohne rücksicht auf die tatsache, dass ich darüber die letzten u.bahnen zurück verpasse, zu lange schlendernd noch durch den vorortbezirk, und also lang hingeschlagen durch die nacht zurück fröstele. ich denke dann so sachen wie, dass mir für sie kein weg zu weit sei. so ganz schlimm prollig. selbst wenn der weg über den südpol führt. ich bin der wegbereiter der umwege. auch das denkt sich in mir aus und ist zumindest ein sehr schöner satz. lebensart und also ein modus kunst. durch kunst. sie sagt, als wir darüber sprechen, auf der kärntner, dass der begriff „intellektuell“ für sie eher ein schimpfwort sei. weil nämlich ich bei dem versuch, wegbereitend für sie eine bar zu betreten, gefragt werde von den türmuskeln, was ich drunter hätte, meine schwarzhemdbrust zeige und abgewiesen werde. denn ohne pistole unter der hähnchenbrust kommt man hier nicht rein. oder wie. denn meine pistole in der brust und im kopf, die geschärften waffen dort, sind dunkel und also sieht man’s nicht. und was man nicht sieht, das muss man erforschen, da sehe ich einen drang.

die straßen, stelle ich fest, sind nachts mit hochgeklappten bürgersteigen wie cinemascope. ich sollte vorhin in den innenhöfen, in die ich sie noch begleitete zum schlafengehen, nicht laut sprechen. sagt sie. seither flüstere ich, flüstere mir was ein und gebe mir auch sonst mit mut die mühe, die mich retten könnte. meistenteils vor mir selbst, meinem als continuo geträumten nicht.schlaf. vor meiner lötkunst, die kolophon ins nichts führt. und dampfe(r)nd. man muss mich nicht erst fragen wie weit ich auf diesem feld vormarschierte. auf diesem weg kann man es mir ansehen. ich sage, dass ich nicht derjenige sei, der in dieser stadt der toten keinen totentanz aufführte. dass, wo ich bin, kein gras mehr wachse. und dass mein stückwerk nichts als welttheater „in a nutshell“ sei. erinnerungsbröckchen, wie ich im sommer vor einem gewitter her fuhr, sie vom handy aus anrief, dass ich vom auftrag käme, dass also mein leib sich jetzt bewegte. vorbei am flugplatz, von wo man wegfliegt und ankommt, herunter die lange holtenauer, die mariahilfer, vorbei an der besserungsanstalt namens „ich will wer sein“, am gefängnis, in das ich mich selbst einwies, am pavillon haltend, eingezogen dort. mit deutlichkeit, wo man mich sieht und erkennt, was ich bin, nicht anders, sondern gemein mit dem bettler, der um nachtasyl bittet und dem ich 2 euro in die leere, faltige hand gebe. vor uns, dem liebenden und der, die vielleicht darüber nachdenkt, ob sie mich wenigstens träumen könnte, geht er, zerschlissen, grau und in die nacht.


02.10.20.12:47:05
ögyr
wi(e)ndows 02.10.20.1

kaiserwetter in schönbrunn. die schönheit des schattenwurfs von weißem marmor. brautkleid bleibt brautkleid.

niemand fragt nach mir. stumme anhöhen. dazwischen läufer, bereits im winterdress. kühler morgen. flutender mittag. eine all.ein.igkeit gespürt. links und rechts „imperial yellow“. batteriewechsel an der camera.obscura. in der tasche neben schlüssel, taschentüchern und sowieso eine handvoll nachrichten an mich selbst. sonntagsfieber. snapshot auf einer parkbank, dahinter blattgold, das von den zweigen regnet. mit stille und einem zarten „flopp“, wenn es aufschlägt. das geräusch von geblätterten zeitungen. das geräusch von sich niedersetzenden auf roten plüschpolstern. das geräusch des ein- und ausatmens auch. das geräusch von etwas schwachbrüstigen brünnchenfontänen. das nicht.geräusch von mauern. andererseits namen wie fischer von erlach. wiederum andererseits zweierkisten in fiakern, davor „auf dem bock“ wippt die melone des kupfernen kutschers wie ein glöckchen. und die pferdchen gehen brav am zügel. das geräusch ihres schnaubens. und klappern der vergilbten zähne. ein schüchterner anblick. die sonne macht sich auf den weg. im badehaus jetzt geht dampf. und der wind zischt durch die alleen.


02.10.20.19:05:00
ögyr
wi(e)ndows 02.10.20.2

u zum karlsplatz. im historischen museum kostenlos i.net bei bestellung von „verzehr“. habe nie was dagegen gehabt – am liebsten mich mich nach irgendwas – zu verzehren. an d.day take 5 geht die sache erstmals ruhiger. stadtpark. schani vergoldet in marmor.gloriette.bogen. tiffs done mit gedanke ans büro. sammler oder jäger, das ist hier die frage. voraussichtlich und vermutlich beides. aus langeweile motiv.suche. dann auf einer bank schani.mäßig eingedöst. vor der blumenuhr, blick nach süden. vorher an einem platz vorbei, von dem disco kommt. paar meter weiter blick durch die gitter: eisbahnvergnügen. eröffnung der wintersaison war freitag. freitag war fix.und.foxy.tag, oder?

zur josefsstadt. allerdings am falschen ende der josefsstädter straße gelandet. gürtel u.bahn zu weit gespannt. zum theater in der josefsstadt, wo bernhard sonntagnachmittags läuft: „über allen gipfeln ist ruh“. aus dem 3.rang schaut man vogelperspektivisch auf die bittere satire auf den schreibbetrieb. womit man dann schon gleich wieder die überschrift, zumindest aber dachzeile im kasten hat, weil man genau in diesen kategorien denkt. in zeitungskategorien. weil das ins schreibblut übergegangen ist. „zum kotzen“. raus. telefon mit gu. zu kurz. ziellos durch den sonntagabendbezirk neubau. gassen loten rauf und runter. der stadt jetzt eher überdrüssig. umhergehen und irgendwann wieder in der innenstadt ankommen, im 1. bezirk. bezirzte bezirke. denn alle wege führen historisch da hin. unterbrochen nur von den gürteln, vom hin & her der trams und autos.

wienerwald. „die blonde öffnet den glasverhau“. meine ketten sind überall gleich. und klirren. wiederkehr. und dass reinigungen (oberhemden) hier „putzerei“ heißen und dass in einer „münzwäsche“ nicht münzen, sondern gegen münzen gewaschen wird. wie in der blaulicht.peepshow gegen münzeneinwurf gespreizt wird. am ende lande ich im bermuda.dreieck im „roten engel“. ein cocktail auf der karte heißt so. oder „russian rose“. was rot ist wird mit „russian“ assoziiert. vielleicht ja doch nur der wodka.

mechanismus. wie die ankeruhr, wo ich gestern wie und warum gestanden hatte. ausbleibend das hupkonzert, obwohl ich auf der straße stand. unvermutet und von gu belächelt. das war gestern.

das aufschreiben wird jetzt eher zum krampf, zur unbedingtheitsverhaftung, weil mir auch durchaus nichts besseres einfällt als zu schreiben. in den block rein, seiten wendend. und weil mich am ruhetag durchaus nix anficht, geschweige ankickt. es geht nämlich so durchaus nichts voran. ich gehe und gehe durch straßen. und gu hat’s im hals und grantelt am mobilen. krächz. quadratur eines quadrates und kreislauf des kreises. klarheit erstmals.

--- später auf dem rückweg im zug: der lustpark der windräder --- die kunstgebirge der förderbänder in der kiesgrube, nachmittags ---

der kunstgriff.


02.10.20.23:55:00
ögyr
wi(e)ndows 02.10.20.3

5 vor 12 bricht der letzte dieser weltentage an, denen ich tendenziell nicht gewachsen bin. die fiakerpferde stehen im verschlag, schnaubend und müde vom ausritt. die alu.dosen reihen sich schon wieder sehr verdächtig. und schwanger vom rauch sind die zimmer meiner paläste (denen kein krieg angesagt wird, nur hütten), eines wie das andere. vorbei an steinernem, denkend. durch die letzte nacht noch hier führt der genosse notizblock. dies zettelkastenwunder des einfach drauf los gehens. die filter alle verstopft quillt der real.stuff.mist aus jeder pore. schweiß der einbildung, man sei zu so etwas wie schrift berufen. beim blättern in der zeitung freilich scheint das so. kann ich auch, so der kommentar des artikelschreibers auf dem affen des nicht.artikel.schreibens. lesen ist wie eine tortur, wenn man nichts schreibt. die eiserne jungfrau der untätigkeit, streckbank des müßiggangs. das zu erfahren, musste das sein.

paar augenblicke auf dem seziertisch, ausgebreitet und ausgeweidet zu szenischem geschehen, das erinnert wird. das schüchterne riesenrad hält seine gondeln in die luft, leicht schwankend im wind, der von den höhenzügen herunter fönt (12 grad). wie wenn man mit fliegenden haaren (und einer fahne) am fenster des zugs steht, in gefahr, dass signale, die vorbei rasen, ihn abschlagen. konsequent sind immerhin solche schlussendlichkeitsfantastereien. und dass es nach tot riecht, milchsauer bis methanolisch.

ich hatte mich insofern in all dem mit der ollen metapher der verhaftung arrangiert, dass ich annahm, ich könnte am tag verbergen, was nachts gelaufen war. tags die brave touristen.existenz, nachts jener modus, der mich auch zuhause immer dann ausklinkt, wenn die uhr weit genug fortgeschritten ist, dass mich jeder vernünftige mensch als schlafenden wähnen müsste (und daher meinen namen nicht gerufen hat). „close your eyes, gimme your hand – die schönsten schmusesongs aller zeiten.“ die traumfabrik reagiert genau auf solche schlüsselreize, auf dieses verzärtelte spiel aus ganz normalem, das sich nicht gewinnen lässt und wenn, dann nur mit dem kollateralnutzen intensiven zweifels.

wienerwald und pizza bizi, gösser und ottakringer. nur scheinbar ist die kirche auf dem hügel, sind die augen über ihren hügeln davon zu weit entfernt, als dass ich von dem einen wie dem anderen lassen könnte. im kreißsaal der schrift plärrt beides bettchen an bettchen, kurz hintereinander geboren. mein zwillingspärchen. mein pärchenreflex, zu paaren getrieben.

vielleicht sollte ich es lieber so halten wie der zeichner, den ich in der u.bahn beobachte, wie er mit einer beharrlichkeit blatt auf blatt immer wieder das gleiche mädchen.gesicht mit vollen, kohlenschwarzen lippen zeichnet. die blätter, die zwar alle originale sind, aber sich nur marginal unterscheiden, er zeichnet ja immer wieder dasselbe, nummeriert er stoisch mit ordnungszahlen. als ich am westbahnhof aussteige ist er bei nummer 67. (morgen beginnt ihre menstruation. die große oktober.menstruation.)

dieses minutiöse nicht voran kommen (gebunden in binden) entbehrt nicht einer gewissen logik. das ist nachvollziehbar in der wiederholung des nachvollziehens. ich kann immer wieder dasselbe schreiben, in etwas anderen worten, und mir wird dabei wenigstens nicht langweilig. ich harre aus, mache weiter, höre nicht auf. aufhören ist ja sowieso der horror. es soll nichts aufhören, es soll immer weitergehen, die straßen rauf und runter. und ihre augen mögen niemals weinen, sondern weiter so graublau schauen, dass ich sie anschaue. das wünsche ich mir. das ist unerheblich, aber es schafft in der leere, die massenhaft anfällt, jene kontinuität, die leere beruhigend macht. ich bin ruhig, ich raste nicht aus, sondern ein in meinen langen schwanz von ewigkeit. und die will auch alle unlust.

ob ich jetzt zum schluss komme oder einfach weiter mache, close your eyes, ist dabei genauso ununterschieden unerheblich. ein weg für nichts, der zu nichts führt. und zum nichts und zu nichtigkeit. gleichgültig, welchen weg ich im park nehme oder welchen durch wie immer auch welche gasse. es ist illegal und damit scheißegal. vom 2. stock, wo mein bezogenes bett zeitweilig steht, führt der weg geradewegs zurück auf die straße, zurück in übernächtigtes sein, in dem schmerz ist statt des betrugs gesunden schlafs. ich gehe hinaus, lasse die türen und brücken hinter mir schwingen, erdbebig, erdbeermündlich. denn wenn ich’s nicht mehr schreibe, nicht mehr träume, rede ich’s mir ein. auf bewegten lippen, die stumm die prosa wiederholen. ich hole mich wieder. und gehe nicht aus, sondern ein. mein röchelnder atem, der über die bunkerbetondecke des betts geht, vor.läufig.


02.10.22.12:30:00
ögyr
wi(e)ndows 02.10.21

im fiaker aufmerksamkeitsstau, der im this.is.a.recording.modus plötzlich ruhig wird. weil sich herausstellt, dass die aufbewahrungs.notiz.maschine hier versagen muss. aufzeichnungs.explosions.maschine. man könnte diesen augenblick, wo wir jetzt in diesem fiaker sitzen, als explosions.zeichnung wiedergeben. also in einzelteilen, so geschäftig geschärft ist meine wahrnehmung jetzt. das schottenkaro der decken. wie der kutscher, von dem man im geschlossenen wagen nur den rücken sieht, drei mal in den 20 minuten nach der peitsche greift, deren lederriemen dann links im bild über dem rücken der pferde hängt, aber diese nicht berührt. das silber am griff. links im bildfenster sieht man auch den oberschenkelmuskel von dem linken pferd rhythmisch im klack.klack der hufeisen auf der straße arbeiten. was bisschen obszön aussieht. als blicke man auf etwas nacktes, zufällig nackt gewordenes, unwillkürlich, also verboten.

das verwirrende ist, dass ich die wahrnehmung selbst wahrnehme als stets surrende kleine geschichte der wahrnehmung. und das sich zusehen beim zusehen und zuhören beim zuhören und ertasten beim ertasten, das beobachten der beobachtung, das die aufmerksamkeit so sehr absorbiert, dass die eigentliche wahrnehmung sofort zum material verkommt, zum bloßen beispiel. und deshalb auch so bisschen leer scheint und verbunden mit der frage, was hier jetzt noch besonders berichtenswert gewesen sei, abgesehen von der erstellung des berichts, seiner zusammensetzung im wahrnehmungsapparat.

immerhin, man sieht das dann auf den bildern, die ich reizüberflutet wie in trance geschossen hatte, nicht mehr in der lage, auf so etwas wie richtige belichtung oder bildaufbau zu achten, und also deutlich authentischer als ein knapp 24 stunden später der vollständigkeit halber noch hingetippter text.

was man sieht: hinter uns die bespannung des wageninneren und zwischen uns die maximal mögliche distanz, die ein bild, auf dem wir gemeinsam zu sehen sind, noch zulässt. und (zugleich) die minimal mögliche nähe, ab der davon auszugehen ist, dass wir uns nicht zufällig im selben so genannten fiaker befinden. ein so flüchtiger moment, dass er unbedingt wie schönheit scheint. genau deshalb, weil er diese vorläufigkeit bewahrt, das nicht und doch schon, das eben zwar und das aber gerade jetzt nicht. nicht dieses liebespaar.bild im fond eines historisch belegten gefährts in einer stadt wie wien, aber auch nicht das bild, das allein dokumentarisch wäre. es ist nichts kühl (und das rede und schreibe ich nach möglichkeit herbei), nur das wetter. und es sieht aus wie lächeln. und ich bemühe mich nicht, etwas irgendwie wichtiges zu sagen. außer, was ich bemerke: nämlich wie die kutsche so ruckt, dass ich ein gefühl wie beim reiten habe. natürlich bin ich (im gegensatz zu ihr) noch nie geritten, aber ich stelle mir vor, dass sich das so anfühlt, wenn man reitet. dass man nämlich den rhythmus der pferdemuskeln spürt, wie er sich auf die kutsche überträgt. und sich warm anfühlt. ein wenig schnaufend. und sie möchte, „dass wir auch traben“. was die pferde dann tun, auf asfalt statt kopfstein, wie erleichtert, dass sie jetzt rennen können.

rennen können.

der kutscher fährt heim. „wegen dem kontingent“ sei an tagen wie heute, montag, zumal bei diesigem wetter, „bei schlöcht’m g’schöft“ also, nicht mit einer zweiten fuhre zu rechnen. und eben das beruhigt, dass für den kutscher, der seine pferde mit vorsicht behandelt, also aufmerksam, die fiakerfahrt eine leidenschaftslose sache ist, aber doch auch nicht einfach ein reines romantloses ding, das zu irgendeiner maximierung (weder von gefühl noch anderem lebenserhalt) dient, weil er sich zufrieden gibt. und jetzt in seinem hoch geschlossenen ledermantel, darüber die melone ...

stehen können. und abwarten.


02.10.23.00:40:01
ögyr
gestirnter himmel

eigentlich war ich ja ganz nah dran gewesen, am gestirnten himmel über mir. ich hätte da promovieren können, erst über das zentralgestirn, und in der habilitationsschrift wäre ich, die abteilung und das teilgebäude wechselnd, zwei türen weiter sozusagen, weitergeschritten zu der frage, warum die galaxien ellipsen seien. und am ende meines universitären lebens hätte ich vielleicht hinausgeblickt, mit hubble, an den rand des universums, der ungünstigerweise auch sehr lang her ist.

auf der hälfte des lebens jedoch entschied ich mich für den mikrokosmos des moralischen gesetzes in mir, welches mir größere bewunderung erzeugte als der sonnengeblendete blick auf den bildschirm, auf dem zahlenkolonnen, von mir gesteuert, das universum, dessen näher gelegenen teil, repräsentierten. ich erinnere mich an meinen damaligen professor, der diesen entschluss, so schien es, mit gemischten gefühlen sah. er sah mich an, immer über den rand seiner brille hinaussehend, mit jenem väterlichen blick, der seinen zögling doch mit befriedigung ins ungewisse entlässt. er ging von etwas aus, von dem ich nicht mehr ausging. als kind hatte ich, wie sich später herausstellte, mal in seinem garten gespielt. eine nachbarschaft der familien. und weil man sich immer zweimal im leben sieht, hatte er mich geprüft. ein proton hatte ich nicht erkannt am größeren des kreises, den es in der nebelkammer macht. das elektron schon, die kleine locke, ungemäß meinem glatten haar. nur mein bart zeigte diese unregelmäßige struktur. ich hab’ ihn abrasiert.

immer dort also bin ich gewesen, wo ich nicht war, und das machte mir verwirrung und zugleich bewunderung für diese verwirrung. das wirre schien mir mir gemäßer als die überschaubaren formeln, differtialgleichungen und integrale, mit denen ich hätte hantieren müssen. dort fremd, in der bibliothek schon, in die man mich, noch ohne arbeitsplatz im institut, setzte, um erstmal einzusteigen in diese welt aus wissenschaftlichen zeitungen, das „publish or parish“ und diesen ganzen akademischen brillenkosmos. ich hatte die meiste zeit an den 50er.nierentischchen der bibliothek aus dem fenster gesehen, auf bäume, die davor herum standen und an denen es in diesem sommer 1989 herbst wurde. mit jedem tag wurden die blätter gelber. und ich sah die schriftzeichen auf vergilbenden blättern wissenschaftlicher periodika an. was da schon erforscht war, was noch frage war. und wo ich einzutreten hätte in diese welt, um die eine oder andere frage zu klären.

es war mir fremd. und ich erinnerte mich an die schaukel in dem garten von dem professor, der dem garten meiner familie gegenüber gelegen hatte. darauf hatte ich, als vierjähriger vielleicht, geschaukelt, der himmel war über mir gewesen. und noch kein gesetz in mir. und ich war 20 jahre später auf diesen professor gestoßen, weil er eine frage gestellt hatte, die mir fremd schien im kontext der naturwissenschaft. die frage nach moral. und das hatte mich angezogen. ich hatte in seinen seminaren gesessen, ich hatte gelernt von ihm. wie er den krieg hasste, aber eben nicht nur hasste, sondern den neuen wissenschaftlich vermeiden wollte. das hatte mich beeindruckt. dieses unbedingte eines physikers, der nicht nur physiker ist. wie sich stapel von papier in seinem büro türmten, im türmerischen vierten stock des instituts. ganz oben, worüber nur noch die veralteten zählrohre einer messstation für kosmische strahlung surrten. dass ich gedichte schreibe, wurde ihm irgendwann bekannt. und fortan sah er mich so an wie einer, der auch gedichte schreibt, seltener als ich, bedächtiger, einfach weil er älter war als ich, ein halbes leben älter.

und die frage nach dem moralischen gesetz in mir war gestellt. ich besuchte seminare über kant bei einem anderen professor, der auch mal physiker gewesen war, jetzt aber philosophierte. später nahm ich an demonstrationen gegen diesen professor teil, weil er rechtem gedankengut zuneigte, so hieß es. aus diesem heißen schrieb ich flugblätter gegen ihn. ich habe das nur spärlich überprüft, aber ich war überzeugt von einer sache, die größer war als ich. ich wurde kommunist.

viele werden kommunist, wenn sie das moralische gesetz in sich spüren. es wäre unter diesen umständen seltsam gewesen, wenn ich nicht kommunist geworden wäre. es war gewissermaßen nur logisch, kommunist zu werden. ich las marx und erkannte, dass es fatal ist, wenn man aus moralischen gründen kommunist wird. ich war es fortan aus wissenschaftlichen gründen.

als wissenschaft ließ sich jedoch das, was in mir pochte, das so genannte moralische gesetz, nicht verwirklichen. also beschloss ich, nicht politiker zu werden, sondern künstler. ich tat das mit jener entschlossenheit, mit der ich mich paar jahre zuvor über die langeweile in der wissenschaftlichen bibliothek, während es draußen gerade herbst wurde, hinweggesetzt hatte. mit einem eisernen tempo der arbeit. und akzeptierend, dass man immer nur halb, aber nie ganz sein konnte.

ich verliebte mich, immer wieder aufs neue. und ich arbeitete an jeder verliebtheit mit inbrunst und mit schrift. ich nahm jeweils an, ich wüsste jetzt, wer ich sei, wer hier verliebt sei. bislang stellte sich das jedemal als irrtum heraus. und ich schrieb, zeile um zeile. aber darin war ich nicht mehr, wie ich in nichts mehr war, außer der jeweiligen verliebtheit und in rausch. ich strengte mich an herzkrank zu werden. ich habe jetzt stahl in einer meiner adern. ich schreibe das jetzt auf als helm auf meinem kopf. immer noch sehe ich den gestirnten himmel über mir an, mit wachsender verwunderung. das moralische gesetz in mir zerlief mir. ich trat aus der kommunistischen partei, in die ich eingetreten war, wieder aus. ich schrieb darüber. und ich verliebte mich nochmal. und nochmal. und ich bin auf dem affen. und süchtig. und ich warte auf den tod, indem ich das lebendige als letzte größe feiere.

ich bin immer nur so weit gekommen, wie ich nie hätte kommen dürfen.


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