archiv.09.2003
 

03.09.02.00:01:10
ögyr
hier & gestern 4

morgen.5.45.uhr.stern.straße.5, „ist nicht morgen, sondern gerade eben“ (bernadette la hengst)

„ein knie geht einsam durch die welt. / es ist ein knie, sonst nichts! / es ist kein baum! es ist kein zelt! / es ist ein knie sonst nichts. // im kriege ward einmal ein mann / erschossen um und um. / sein knie allein blieb unverletzt, / als wär’s ein heiligtum. // seitdem geht’s einsam durch die welt. / es ist ein knie, sonst nichts! / es ist kein baum! es ist kein zelt! / es ist ein knie sonst nichts.“


03.09.03.00:39:27
ögyr
hier & gestern 5

krachledern & schenkelschlagend, vorvorgestern vorfahrend auf der kreuzung

ein taxifahrer wusste aus un.fall.erfahrung: „damit’s, wenn’s knallt, auch richtig kracht.“ man muss es nicht nur knallen, sondern krachen lassen. das ist eine frage des tempos.


03.09.04.01:44:49
ögyr

das wild schreiben ist irgendwie weg

das wild schreiben ist irgendwie weg. september.01, kurz nach der herzchen.chose, machte ich vollen monat auf schreibschreibschreib. das war so eine verdusselungsreaktion, reflexhaft reagiert auf den rauschentzug. das war auch noch im puppenkamp. dort wo der fernseher am bettchen stand und das lap on top of the laminatfloor im multifunktionsregalzimmer und wo das hübsche türkenmädel gegenüber noch nicht ausgezogen war, wo jetzt im waisenhof muskulöse männer ytongsteine durch das fenster zum hof schleppen. der steinwurf küche, wo sie nackt gekocht hatte, paar meter entfernt.

das wild schreiben ist irgendwie weg. mehr so kontrollfunktion jetzt. setz’ mich hin vors wordfenster und sage: tach auch, jetzt wird text geschreibt. weil der sommer brüllbrüll war, hab’ ich stets bei offenem fenster. und bei offenem fenster, in der sperrangelweite, darf natürlich geraucht werden. und es darf betrunken werden, sieben tage lang. 24.7.vergeblicherliebesdienst an den tasten.

das kleine schwarze buchstabengerüst zwischen den weißkalkgruben der kuppenversenkung.

auf dem bürobalkon machten wir ’ne minigrillparty mit biofleisch und biowürstchen. bürobesatzungsrest plus anhang. mein anhang, dem meine vorsteherdrüse ihr unerwünschter anhang ist, stand frisch frisiert im orangenhauthöschen so da, als würde sie was, also alles, zeigen, so bisschen präsentationsmodus. sah echt süß aus. sieht ja immer voll süß aus, weil in den frauenstrengelachfältchen in ihrem gesicht manchmal so was unbedingt mädchenhaftes, daddy’s little girl.mäßiges aufscheint. und ich der olle daddy, der der kahlkohle funken ausbläst.

blasentang, strandflöhe (krebse).

das wild schreiben ist irgendwie weg. ist mehr jetzt ein ringelsöckchenreihen von fakten.fakten.ficken. ich führe was ein und sofort entsteht der zwanghaftwahn, dass das fortgesetzt werden muss. eine art fortschrittsverhaftung auf den höhenlinien eines MESSTISCHBLATTS, balkonbalanciert.

hotel lux, 1937.

das wild schreiben ist irgendwie weg. um 23 uhr 22 kommt die elfe ins spiel, wird eingewechselt vom trainer des wirtschaftstraineeseminars, damit die EXPLOSIONSMIRE ihrem vertrocknungsgrad noch ein einziges mal trotzt. das klingt jetzt kryptisch, ist es auch, ist der versuch der krypta ein ganz normales gebäude zu sein. oder der versuch nach erstem, zweitem, drittem und viertem gang nicht in den fünften zu schalten, sondern – schnitt! – in den KREUZGANG.

während daddy’s little girl ihr blue eyed bicycle dem rot umrandeten laternenpfahl anbändelt, führe ich den goldenen schlüssel, der zu ihren inner sanctis erlaubtermaßen führt, ins schlüsselloch. auf dem balkon wurde die geschichte erzählt, wie ich früher in der wg aus dem flurfenster mit dem fernglas dorthin spähte, von wo geräusche kamen, die eine gewisse eindeutigkeit vermuten ließen. das ist natürlich peinlich jetzt irgendwie. jetzt so im nachhinein von zehn oder so jahren, oder mehr. ich drehe den schlüssel und daddy’s little girl steht vor mir. stellt sich gerade hin im hausflur. wie bei der konfirmation bei abendmahls unbefleckter empfängnis. damit ich, der pastor fido, die rituelle tagesschlussumarmung empfange. sie breitet dazu die arme wie beim röntgenarzt, der ihr die lunge röntgt, um das fotoplattengestell. ich werde belichtet. sie leuchtet im treppenhauslicht, das gerade ausgeht. und dann zangt sie ihre armmaschine um mich, „gives head“ zum kurz dran lehnen. ihr haar riecht nach friseur. das ist die eine sekunde, die halbe, die drittel, die viertel, die fünftelvergangene ...

... die das wild schreiben irgendwie so schwer macht.

man muss die texte vom september.01 mal mit denen vom september.03 vergleichen. ground zero gegen fundament aus einer „zwangsgemeinschaft“, wie ihr das manchmal vorkomme. sagt sie. dass wir uns ketten aneinander, rettungsringmäßig. ist mir schon sympathisch, der gedanke gemeinsamen untergehens. aber wir gehen nicht untereinander. nicht mal miteinander. vielleicht gerade mal eben, asymptotisch, nebeneinander. ihre hand trägt ringe. paar tage nach dem flohmarktsgeschenk auch meinen an sie. war symbol. aber jetzt: er ist ihr „zu eng“.

es ist nicht verkehrt vom lament über die orgasmusschwierigkeiten des texte machens allmählich auf die überzugehen, die mit wirklichen menschen zu tun haben. wir hatten einen film gesehen, der ROADTRAINS beim fahren durch den australischen BUSCH zeigte. ich hätte gedacht, dass man daraus was machen könnte. ich denke nach, wie wir es – achtung! – ineinander, im australischen busch machen könnten. während der film lief, hatte ich ihr die nackten füße massiert. aber nicht wie sonst, so gleichsam zufällig, sondern sie wollte creme. ich hatte die melkfettdose aus ihrem bad geholt (der schlüssel, golden, aber eher zufällig) und arbeitete nun an ihren füßen so quietschundmatschfidel, wie man es in pornostreifen mit ganz viel olivenöl tut. ich sah mir ihre zehen genau an, ich nahm immer mehr von dem fett und fragte sie, welche REFLEXZONE ihr besondere lust bereite.

tastend teaste ich mich zu der vor. sie lag etwa fünf zentimeter unterhalb des ringzehs, dort wo die haut auf eine irgendwie – ja, genau da, seufzte sie – wilde weise weich wird, wo der daumen am tiefsten ins fleisch geht.

hotel lux, 2003.

es ist auch nicht verkehrt gedanken zu unterbrechen, sie radikal, also an der wurzel zu kappen. der matchcut ist eine schimäre von filmwissenschaftlern. harte schnitte klingen besser, wenn es wild werden soll. nur dass das wild mit hölderlin angeschossen in die wälder rennt ...

dass ich sie lieb habe (oder auch: liebe!), schrieb ich ihr gerade vorgestern auf die morgens gebrachte zeitung. oben über die headline. eine kleine deadline aus meiner recht ordentlichen druckrohrhandschrift. gesagt habe ich es ihr vielleicht einmal, nein, dreimal. sie hat mich dann angesehen wie einen, der es schwer hat wild zu schreiben.

wenn sie die füße hinstreckt zu dem ritual, mehr ist es nicht, vielleicht aber auch gerade nicht weniger, wenn ich ihr die nach süße duftenden schwarzen söckchen ausziehe, damit sie wenigstens da so wird, wie gott sie ermüdet schwitzend am achten tage schuf, weht über ihr gesicht eine hundertstelsekunde sehnsucht. und wenn ich die dort anfasse, manchmal, sieht sie so aus, als wollte sie stöhnen. ich male mir das aus. ich male mir das aus wie einer, der so öde hobbies wie sticken oder ölmalen nach zahlen pflegt. zone 69 ist ein tiefes rot, karmesin natürlich. ich sehe ihren mund. ich sehe ihr zwischen die bereit gebreiteten beine. am höschenrand flauscht was, das wild wäre. das wild schreiben aber ist irgendwie weg.


03.09.07.21:47:10
ögyr
?was?ist?schwungkunst.de?

[eine zustandsbeschreibung, basierend auf einer zustandsbeschreibung aus http://www.schwungkunst.de/hyper/hype000710.html]


(0) CLICK’N’CUM (skizze)

schwungkunst.de ist der schwung des hyperlinks. die maus ist schneller als ihr buch.loch. es geht um beschleunigung. des gefühls, dann des denkens, dann des textes. schwungkunst.de ist imgrunde ein einziges tage.buch, eine halde für das, was sich quick.and.dirty ins netz stellen lässt. eiaculor ergo sum.

die lust des verbindens, des links, ist schwungkunst.de. fahrig bleiben, nicht fertig werden! nicht ankommen! keine bücher machen, sondern machen verbuchen. im link, als quickie.

die lust der selbstbezüglichkeit ist schwungkunst.de. „alles hängt mit allem zusammen“, eben weil nichts mehr mit nichts zusammenhängt. vielleicht noch zusammen abhängt. schwungkunst.de ist reaktion auf eine gefühlte temperatur. schwungkunst.de ist ein „hot.spot“.

die lust des verschwindens (hinter dem text und hinter dem link) ist schwungkunst.de. nichts mehr (und damit nicht weniger) zu sein als text. DER TEXT IST MEIN HIRTE, MIR WIRD NICHTS MANGELN.

die lust der versammlung, des sit.ins im netz ist schwungkunst.de. ein sammelsurium, ein haufe, aus dem man klaubt, ein sperrmüll. es kommt alles rein, was rein kommt, auch was, „wenn der kragen nicht rein ist“. auch sowas, was so doof wie das hier klingt.

schwungkunst.de wird ins netz gestellt von ögyr (1964 kiel, 2003 immer noch kiel).


(1) MERz.Monstrum

MERz.Monstrum (als version 2.0 im dezember 2001 geadelt mit dem 1. preis des kulturnetz-sh.de) ist die keimzelle von schwungkunst.de.

der hyper.link ist, um es mit einem mathematisch.topologischen begriff zu sagen, die konforme abbildung der (frei & flott flotierenden) assoziation im html.cyberspace. insofern ist der hyper.text auch die ideale form für cut.up.text. seit 1990, lange bevor er html kannte, arbeitet ögyr an einem solchen cut.up.text namens MERz.Monstrum. da es sich dabei um ein ständig wachsendes text.korpus handelt, in das immer wieder neue fragmente aus texten und foto.collagen eingearbeitet wurden, also einen text, der quasi unendlich nie fertig wird, ist er auf papier kaum zu realisieren, für einen hyper.text aber geradezu prädestiniert.

die links sind dabei nicht von einer inhaltlichen struktur bestimmt, sondern vielmehr von freien assoziationen. (ideal wäre es, die leserin könnte selbst solche assoziativen links generieren, die sich im text nieder.schlagen.) durch kreuz.verlinkungen kann man sich tastend durch den text (und die foto.collagen in heartfield.scher manier) hin und her bewegen und gelangt dabei zum teil auch zu den anderen texte.corpora.cavernosa von schwungkunst.de und von diesen wieder zurück zu MERz.Monstrum. an ein vertikales von oben nach unten lesen ist dabei weniger gedacht, als sich vielmehr von den links durch den text tragen zu lassen. ähnlich wie man eine zeitungs.seite liest, die man nur überfliegt und dabei an einzelnen zeilen oder absätzen hängen bleibt. oder eben: wie man im netz surft.

wenn es denn einen inhalt von MERz.Monstrum gibt (der name rekuriert auf die MERZ.kunst von kurt schwitters): es geht um die medialen monstren, also figuren wie etwa den „rosa riesen“, der anfang der 90er jahre in den neuen bundesländern sexual.morde verübte und dabei von den boulevard.medien zu einem monster.haften dämon stilisiert wurde. das monstrum als öffentliche figur und damit projektions.fläche für im gesellschafts.körper latente aggressionen und ängste. das monstrum als „anti.christ“, beladen mit bildern von erlösung durch stellvertetende strafe und sühne, der figur des gekreuzigten nicht unähnlich.


(2) d.day - keine nacht für niemand (HYPErLYNX di.gi.arium 2000)

angeregt von rainald goetz’ netz.tagebuch „abfall für alle“ ist HYPErLYNX ein (vielleicht literarisches) tage.buch, das als einziges form.kriterium den zwang zur täglichen in.dienst.stellung im netz hatte. es sollte das letzte jahr des jahrtausends dokumentieren, beginnend am datum 00.01.02 (am 00.01.01 war der kopf leider zu schwer, um irgend.etwas zu schreiben) und endend am 01.01.01 (obgleich der kopf da schon wieder schwer war). da ögyr nicht jeden tag was brauchbares einfällt, enthält es jede menge müll. da muss die leserin durch, hilft nichts. am ende jedes eintrags finden sich jedoch handliche vorwärts.rückwärts.knöpfe gegen die lange.weile. click’n’cum on!

was das di.gi.arium vielleicht nicht so überflüssig macht wie die meisten netz.tage.bücher ist seine reflexion über sich selbst. der text kreist immer wieder um den obsessiven voyeurismus, den ögyr bzw. ein alter.ego namens ingenieur.voyeur umtreibt, mit dem die leserin sich gemein macht, indem sie selbst voyeuristisch auf die text.emanationen eines lebens klickt. und um eine im di.gi.arium selbst umfänglich reflektierte „pretty.public.privacy - ppp“, das fragile (und weitgehend unerforschte) dialektische verhältnis zwischen öffentlicher und privater so genannter person (lat. personare = durch.klingen). in der ver.öffentlichung von so genanntem privatem versucht das di.gi.arium ähnlich radikal zu sein wie big.brother. mit dem allerdings anderen ziel, die person hinter ihrem text aufzulösen (während es big.brother noch immer um das kennen.lernen = ver.öffentlichen einer als individuum abgeschlossen gedachten person geht, big.brother somit über individualitäts.konzepte des 18.jahrhunderts im grunde nicht hinaus kommt). das trägt teils selbst.therapeutische züge, teils versucht es, der seltsamen form von öffentlichkeit im netz nachzuspüren, also einer eigenschaft des mediums selbst. insofern ist HYPErLYNX auch ein versuch über das medium oder die frage, was passiert mit (dem so genannten) „mir“, wenn (das so genannte) „ich“, ein voyeur, sich im netz vice versa exhibitioniert.

was das di.gi.arium ist, erfährt man dabei am besten, indem man es liest, weil es sich permanent selbst erforscht und sich auch gar nicht darüber im klaren ist, was es eigentlich ist, oder was ögyr mit dieser fixen ideen.copy&paste angerichtet hat. es ist ein brauchbares beispiel dafür, dass ein nicht geplanter text sich selbst entwickelt, weitgehend unabhängig vom schreibenden subjekt, dessen dynamiken lediglich als treib.stoff nutzend. im gegensatz zur physik, wo der beobachter möglichst unabhängig vom beobachteten sein soll und das beobachtete auch nicht stören darf, ist hier der beobachter selbst objekt der beobachtung und verstört sich an sich selbst. es entstehen flirrende deutigkeiten, die neben dem zerstörerischen gestus gegenüber einem konzept wie „person“ auch die hoffnung hegen: der text ist mein hirte, mir wird nichts mangeln.

[btw: die annahme ist irrig, dass „der autor“ mit „seinen“ texten irgendetwas „will“. ögyr hat immer wieder die erfahrung gemacht, dass texte, vor allem hyper.texte, derartige eigen.dynamiken entwickeln, dass, wenn überhaupt jemand etwas will, dies dann der text selbst ist. insofern ist die selbst.vorstellung eines projektes, wie hier, also ein text über den eigen.sinnigen text, nicht unproblematisch. der text selbst sagt mehr über sich als dieser text über den text. ein unbedingtes plädoyer für die emanzipation des textes von seinem schreiber.subjekt, das, wenn es denn ein konzept von schwungkunst.de gibt, das eigentliche konzept von schwungkunst.de ist.]

(die fortsetzung des HYPErLYNX mit anderen mitteln, denen des i.forums, ist seit 2001 joint@venture. da könnte jede und jeder mitschreiben. tut nur keiner. außer ögyr in den briefings an sich selbst. AN ALLE.)


(3) explicit.lyrix

schwungkunst.de enthält mehrere konvolute von lyrix, die zu zyklus.bildung insofern neigen, als sie jeweils als über ein oder zwei oder drei monate reichendes projekt (jüngstes: summer.of.NO.love) wiederum tagebuch.artig zustandbeschreibungen liefern. so wie es unsinn ist, das lyrische ich mit dem autor, hier ögyr, gleichzusetzen, so unsinnig ist es, das nicht zu tun, denn schon der zeitliche oder problemkreisorientierte konnex weiß genau das gegenteil. insofern sind die auf schwungkunst.de abgeworfenen lyrix explicit.


(4) der masturbatorische manuskriptschrank

schwungkunst.de ist eine virtuelle schublade im netz. darin wird erstmal alles reingelegt, was sich reinlegen lässt. paar video.poems z.b., anfängerstücke, tests, experimente mit ungewissem ausgang. und offene enden wie die webcam, die vielleicht zwei oder dreimal online war. auch schön, weil es so aufwändig ist sie anzuschließen. was verhungert bleibt als link.leiche noch sichtbar, auch schön.

EIACULOR ERGO SUM. dann wische ich’s zewa.und.weg. nur der cum.shot bleibt. das übrige. das verbliebene, dass im netz verbleichen kann. viel schneller als zwischen buchdeckeln. oder in video.kabinen. oder in dvd.geschoss.hülsen. oder auf halden von papier, das geordnet werden müsste. das nette am netz ist, dass man alles erbarmungslos wiederfindet. alles hat einen punkt.txt.namen.

und falls ich’s lösche - DER GOOGLE IST MEIN ECKERMANN. insofern schwungkunsts plädoyer: halte es nicht zurück, das ist ungesund! DER TEXT IST DEIN HIRTE, ES WIRD DIR NICHTS MANGELN!


03.09.09.18:18:34
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RE: ?was?ist?schwungkunst.de? (1)

Geschwätz, who cares?


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