archiv.11.2003 |
03.11.24.02:24:18
ögyr
dass das wild schreiben zurück ist
vor kurzem wurde ich ja noch von den röntgenschirmen einer mamma.gräfin umarmt. das war kühl. jetzt aber ist die kühle nur die begleiterscheinung einer gerade nicht anwesenden wärme, mit der man fernheizungen betreiben kann. könnte sein, dass ich davon nicht minder traurig bin als vor den röntgenschirmen.
unter deinen schirmen ...
es gibt diese herzbilder von mir, geröntgt. den zu.risiken.und.nebenwirkungen.einblick. bevor die sanduhr von damals ablief, sandten mir die engel, die schutzgasmaskierten, eine kleine sanduhr in metall. darin geht schwarzer staub (könnte aus meiner urne sein) in einer viertelminute den bach runter. das reicht für einen choral. oder zum pulspublizieren. nur nicht zum sterben.
ich habe 52. das ist ein passabler ruhesanftpuls.
ich bin nicht mehr verdammt, nur verstummt. auf der festplatte, die die schublade, für die man schreibt, passabel ersetzt, sammeln sich gleichwohl lautäußerungen. es klingt wie stare, die die schnäbel aufsperren, gerade weil die starenmutter irgendwo da draußen ein schicksal hingerafft hat. wo mamma keine grafeme mehr auf röntgenfilm macht, wo die macht eher in machen als in schreiben macht, muss man bisschen stumm sein. eine art demut gegenüber dem text. eine etude für das alles nicht aufschreiben.
es muss auch kleine geheimnisse geben, sage ich mamma, die nach grafemen fragt. sie will alles ganz genau wissen. aber ich bin stumm. und stumm glücklich.
ja, das hätte ich nicht gedacht, dass ich mal nicht wortreich unglücklich bin, dass das wild schreiben also jetzt, jetzt erst, wirklich zurück ist.
ich höre schostakowitsch, jazz suite nr. 2, waltz 2, da wo nicole kidman sich in eyes wide shut so einen supersüßen schwarzen büstenhalter über die eistütentittchen zieht. man sieht dabei ihren nackten hintern von hinten.
wenn man die welt wie die pferde von hinten aufzäumt, kann man erst wieder reiten. diese erkenntnis des wild schreibens nehme ich als erste mit ins bettchen, das jetzt fleckig ist. die unbeflecktheit der empfängnis meiner texte ist jetzt, nach golgatha, gewissermaßen österlich. lichterkettend. oder sterne am wandhorizont, die floureszieren, wenn man sie mit der nachttischlampe anleuchtet.
oder erleuchtet.
hotel lux 1937. yoho.hotel.hamburg 2003.
ich habe 52. 52 takte vor der verswendung, da wo das gedicht auf einmal sehr ernst wird, als hätte man das, als dichter, genau so gewollt, singen die engel lieder, die zu wolllüstig klingen, als dass man nicht wüsste, wie wild schreiben klingt.
meine feder ist aus fleisch und meine tinte schäfchenwolkenweiß.
auf dem wochenmarkt kaufe ich keine kürbise. ich kaufe küsse. ich kaufe salat, kraut, kohlrabi ohne kraut, und engelsgeflügelwürstchen, die so aussehen, als könnten sie, steckte man sie in den topf, wozu ich der deckel bin, sich um einige fiebergrade erhitzen. darf man würstchen verkaufen, die so aussehen? und darf geflügel wie engel aussehen, wenn man vögelt?
schostakowitsch 1944. klaviertrio nr. 2. e.moll. 4. satz. allegretto.adagio. schnell.langsam.schnell. vorher die jazzsuite nr. 2. waltz 2. da wo nicole kidman sich den büstenhalter, den kleinen schwarzen ...
der 85. jahrestag der großen sozialistischen oktoberrevolution ist so sehr ausgefallen, wie wir das haus im jungfernstieg 15, kiel, nicht besetzt haben. wir haben nicht brecht gesungen. oder nur ein bisschen, radwechsel auf dem weg zu den bukower elegien.
hotel lux, yoho! yahoo, ich habs gefunden. wir bestellen gedeck, pfefferminztee und wodka.
später kaufe ich ein biogeladenes würzsalz von einer firma namens brecht. aber wisset, sage ich: brecht hat von der wolke gesungen, der weißen, die ganz oben gewesen sei. und dass er sich genau daran erinnern werde, noch nach den jahren des wild schreibens.
und jetzt an dich: ich würds dir gern mit würstchen machen. mit wiener.walzer.würstchen. und die kidman darf dabei zuschauen, wie ich dir den schwarzen büstenhalter von den nippeln wegküsse. sag mir, ist das das wild schreiben davon, dass das wild schreiben zurück ist?