elegie.5
camera obszena
es dämmert schon wie stets in schweren zeiten,
ein rotes fleisch senkt feucht sich aus dem himmel
nieder aufs gesenkte haupt des breiten
flügelschlags der engel im gewimmel
einer heerschar von gefallenen,
jener an den tod sich krallenden.
das loch gähnt weit den teleskop'schen linsen
in solch' gewittergelbem abendschein.
die fotozellen üben schon ihr grinsen.
die emulsion belauert ihren schrein,
in dem sie emsig wartet auf das licht,
das magisch ätzt sein bild in ihre schicht.
es ist bereitet der altar der nacht,
das abendmahl des lebens aufgetischt.
die hauer fahren abends in den schacht
zur nachtarbeiterschicht. am bug stürmt gischt
dem seemann ins gesicht, wenn er den hafen
hat verlassen, um auf see zu schlafen.
"o, nacht!" singt gegenüber jener dichter,
den das nachtmahl schwer legt in die daunen,
die sich krümmen hin zum tanz der lichter.
er ringt um worte und kann doch nur raunen.
vergeblich der versuch, die nacht im foto
festzuhalten, vers als farce pro toto.
die nachbarin im nackthemd der verlockung
schaut artig ihm ins hoch gereckte rohr.
sie weiß noch nichts von seines safts verstockung.
denn den im dunkeln sieht sie nicht, bevor
sie meint, verräterisches "klick!" zu hören
vom apparat, der lust ist den voyeuren.
doch dann ist's still in dessen folterkeller.
sie neigt das ohr, doch nichts ist mehr zu hören,
kein laut von unbekanntem bildbesteller,
nur irgendwo ein nachhall von betören.
sie schließt das fenster, hüllt die nackten brüste
in schlaf und träumt davon, dass sie ihn küsste.