elegie.2

armer amor am abend

 

im hof gespiegelt licht aus nachbarfenstern,

wo man lebt, so scheint's, und nicht verstirbt

und auch nichts weiß von hiesigen gespenstern,

um die mein sücht'ger leib mit händen wirbt,

die streben nach dem leben, wie die pflanzen

gier'n nach licht und wächter nach den lanzen.

 

hast du unterm leichentuch nichts an,

bist nackt an deiner lüste feuchtem grab,

und moderst unter deines fußes spann?

war ich der wurm, der tot darunter lag?

mit welchem toten schläft die gräberin,

und welchem netz ist sie die weberin?

 

in deinen köcher schieße ich den pfeil,

das gift geheim gesandter sehnsuchtsblicke.

doch eh' er trifft, enthauptet ihn dein beil,

das beil, das stramme (wie die galgenstricke),

das nieder schnellt wie 'n meißel auf den marmor

der aus dem wilden stein haut weißen amor.

 

das götterkind, den sohn der aphrodite,

den melancholisch schwarzen cupido,

der heimlich späht und zahlt nicht seine miete

für'n fensterplatz an deinem betten-zoo,

wo sich die männermuskeln kraftvoll spannen,

den sollst du, wüsstest du davon, entmannen.

 

ramm' ihm den pfeil in seinen kahlen schädel,

damit in einem blutsturz ende findet,

was schon versucht' des muttermundes knebel,

der allerersten schrei mit schweigen bindet.

steck ihm den pfeil zurück in seinen köcher,

dass er nicht länger stopft dir deine löcher!

 

und hast du ihn, vampirigen voyeur,

mit seinen eig'nen pfeilen dann erstochen,

so brich auch seinen bogen. und dann schwör',

dass du an seinem losen leib gerochen

die not, den tod, den duft der abendschatten,

das amouröse zittern eines gatten.

 

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